22. März 2011

Special Interlude: ALIEN

(Ridley Scott, 1979)

Heute geht es, in aller viecinephilesken Knappheit, um einen schon zigfach großartig analysierten und besprochenen Über-Klassiker; einen Film, der bei jungen Knirpsen (wie auch der Autor des Blogs einmal einer war) durch seinen Status und durch Fotos oder Besprechungen schon vor dem Ansehen gigantische Vorstellungen und Erwartungen weckte. Dann, als man ihn endlich sehen durfte oder konnte, knallte es natürlich gewaltig in Augen, Hirn und Seele.

Danach war trotz des Kaufs von VHS und DVD fast 15 Jahre Pause; kaum eine Stimmung, kaum eine Umgebung mit bescheidener TV-Ausstattung konnte einem neuerlichen Ansehen gerecht werden, sodass es gar nicht dazu kam. Und dann war sie endlich da, eine angemessene Möglichkeit den ultimativen Weltraum-Horror doch wieder zu sehen: auf der Kino-Leinwand des Filmmuseums. Eine unermesslich große Erwartungshaltung entstand daher schon Wochen vorher, einhergehend mit der Hoffnung auf eine weitere, auch die erfahrenen erwachsenen Sinne begeisternde All-Erleuchtung wie bei Space Odyssey oder mit Abstrichen bei dem besten Sci-Fi-Film jüngeren Datums, Sunshine.

Überraschend gerät vor allem die kuriose Erkenntnis, dass man manche Details (etwa den sensationellen Abstieg zu den Eiern) als unerfahrener Jugendlicher völlig anders, und zwar deutlich cooler als sie im Film eigentlich sind, im Gedächtnis abgespeichert hatte, worunter der Film selbst beim Wiedersehen fast ein wenig leidet, weil die „überspeicherten“ Emotionen natürlich trügerisch sind und das neuerliche Erleben nicht ganz mit diesen superben fake-memories mithalten kann.

Andererseits bleibt es auch so absolut fantastisch, was Scott auf die Beine gestellt hat: Epochale Kino-Momente wie der Durchbruch des Jungmonstrums; ein beeindruckend gleichberechtigtes Ensemble von feinen, erwachsenen Schauspielern bzw. Charakteren; das Flitzen durch die von irre blinkenden Lichtern überzogenen Gänge. Ein subjektiv fast schon vergessenes „Highlight“ des Films ist die Aufdeckung von Ashs wahrer Identität: was für ein trashiger, kurioser, hemmungsloser, komischer Moment. Lieutenant Ripley, die als toughe weibliche bewaffnete Heldin wie eine Vorgängerin von Rambo anmutet. Ein "Ende", das noch keines ist (keine Ahnung, ob das damals innovativ war, jedenfalls fand dies danach Einzug in jeden zweiten Horrorfilm).

Aus heutiger Sicht wirkt die milde klasssische Filmmusik eher unpassend zum alptraumhaften (Giger-)Düster-Szenario, zudem hätte Scott die Abgänge der Charaktere vielleicht noch wesentlich intensiver inszenieren können. Andererseits stellt ja gerade das wenig sensationalistische dieser Szenen eine Qualität dar. Der Film bezieht seine Ausnahmestellung natürlich durch dieses geniale Setting; ein Schiff im All und darin ein die Besatzung bedrohendes, unheimliches und unzerstörbares Monster (wenn auch die ultrarasante Entwicklung, die Intelligenz des Aliens ja eigentlich total unglaubhaft ist, genauso wie sonst noch einiges). Man könnte ALIEN also durchaus für einiges belächeln, man kann und darf ihn nüchtern betrachten und nicht so herausragend finden; und obwohl sich beim Wiedersehen gar nicht so ein überwältigendes Gefühl eingestellt hat und obwohl Ridley Scott trotz inszenatorischer Brillanz viele vermutete Qualitäten und Trümpfe gar nicht so ausgespielt hat, wie sie im Idealfall vielleicht noch gewaltiger hätten sein können, ist ALIEN ein Werk, das in der Geschichte des Kinos eine wohlverdiente und legendäre Ausnahmestellung hat und in meinem Herzen diese Ausnahmestellung auch nach einem minimal desillusionierenden Wiedersehen nicht aufgeben muß.

9,55

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