29. März 2013

The cabin in the woods (Drew Goddard) 7,80



Es ist wohl kein Spoiler mehr, zu verraten, dass TCITW kein reinrassiger junge hübsche Menschen und böse Mächte in Hütte-im-Wald-Horror ist, sondern gleich zu Beginn zwei zynische Laborfritzen eingeführt werden, die die parallel stattfindenden typischen Backwood-Vorgänge mit ihrem Team gemeinsam per Video überwachen und steuern(!).

Somit muß man diese Groteske wohl mindestens einen Meta-Horrorfilm nennen, in jedem Fall eine Ultra-Satire auf ein längst ausgeweidetes Genre. Auch wenn Einiges an der zynischen Ausbeutung des naiven, sinn- und ausweglosen Überlebenskampfes nerven kann, ist der Film auch ziemlich komisch, und der Spagat zwischen grenzbescheuert und grenzgenial gelingt, auch weil trotz der auf die Spitze getriebenen postmodernen Haltung quasi dennoch 'progressiv' Spannung und Stimmung aufgebaut wird.

Definitiv sehenswert ist die nach „Kult“ schreiende Horrorsatire dann vor allem wegen des irren letzten Abschnitts, der in seiner Hemmungslosigkeit dann auch noch mehr Spaß macht als die Metaspäßchen zuvor..

18. März 2013

Pescuit sportiv (Adrian Sitaru) 6,80



Ein Paar macht einen Ausflug aufs Land, streitet sich und trifft vor dem „Picknick“ auf eine geheimnisvolle, gerissene junge schöne Frau, die das Paar offensichtlich um den Finger wickeln versucht...

Der ungewöhnliche, düster-sarkastische Film (dessen Originaltitel nicht Picknick, sondern Angeln bedeutet) ist konsequent aus einer POV-Perspektive gefilmt, und schwört eine unterschwellig unheilvolle Atmosphäre herbei, durch die man sich oft wie in einem Horrorfilm wähnt. Nur wartet man ständig auf das Grauen, die Charaktere scheinen voller Wahnsinn, der aber nicht so richtig ausbricht, wo bleibt die Explosion? Ob sie kommt oder nicht, sei nicht verraten, jedenfalls ist der Film in gewisser Weise sehr eindrucksvoll: ein Spiel mit dem schmalen Grat aus Leidenschaft, Liebe, Wut und Hass, bei dem nicht nur das Paar, sondern auch das Publikum quasi durchgehend im Dunkeln tappt.

Hört sich ein bisschen besser an, als es dann letztendlich ist; denn ein großer Wurf ist das mit einfachen Mitteln gedrehte, auf Dauer aber auch grenznervende Werk nicht, aber das gallig-suggestive Psychospielchen wird man trotz einer gewissen Behäbigkeit nicht so schnell vergessen; auch wenn am Ende ein bisschen wenig für die Mühen rausspringt.

14. März 2013

Holy Motors (Leos Carax) 7,75



Etwa in der Mitte dieses leider gegen Ende fader werdenden, davor aber wahrlich aufregend durchgeknallten Films tritt Denis Lavant plötzlich mit Ziehharmonika auf, gefolgt von immer mehr Musikern: eine Karawane des Wahnsinns, der Freiheit und der Eigensinnigkeit, die mitten in einem nicht allzu leicht genießbaren Kunstwillenswerk das Publikum mitreißt.

Anything goes here – Bist du das? Ich glaube schon. In seinen besten Momenten kann man Carax und Lavant (was für ein Duo!), verstehen in ihrem Willen, das Kino und das Leben zu dekonstruieren. Genialen Momenten wie dem Auftritt von Mr. Merde, der visuell famosen Motion Capture Animal-Erotik oder der Meta-Mordszene stehen aber leider auch einiges an Leerlauf im letzten Drittel (ausgerechnet da!) gegenüber. Das Gefühl, eine Nummernrevue ohne viel Tiefe zu sehen, ist leider dann doch stärker als die Begeisterung. Vergleicher denken bei dem Film sicher auch an David Lynchs letzten Streich, doch gegen dessen Wahnwitz-Meisterstück INLAND EMPIRE ist Carax heiliger Motoren Film dann doch ein ganzes Eck weniger mindblowing.

Gegen Ende gibt es eine Hommage an Carax' eigenes Meisterwerk Les amants du Pont-Neuf (den ich bis jetzt nicht gesehen habe): für den Künstler selbst sicher eine tolle Geschichte, für den gewöhnlichen Zuseher bleibt es eher eine hohle Angelegenheit. Immerhin endet der Film (von einem beeindruckenden, wildromantischen Chanson begleitet) mit einem deutlichen Augenzwinkern, dem gleichzeitig Poesie innewohnt. Und dann gibt es noch die wirklich letzte Szene, die dann nochmal zwinkert und den Film so richtig heiter und unbeschwert ausklingen lässt. Ich kann mich mit etwas Abstand schon wundern, dass ich Holy Motors, definitiv einen DER Filme des Jahres 2012, nicht noch etwas besser bewertet habe. Aber vielleicht war das ja auch gar nicht ich.
Und womöglich liegt sie doch nicht so falsch.

10. März 2013

Raavanan (Mani Ratnam) 6,20



Pathetische, immer wieder großartige Bilder, ganz große Gefühle, mimisch oft etwas befremdlich (schlecht traut man sich ja kaum zu sagen) vorgetragen – Raavanan vertritt mit seinen typischen Elementen ein stets faszinierendes asiatisches Kino. Getanzt und gesungen wird auch, dennoch ist es kein klassischer Bollywood-Film, könnte man meinen. Die Grundelemente sind aus einem indischen Nationalepos (das auch in Sita sings the Blues thematisiert wurde) übernommen: schöne Frau, verheiratet mit (allerdings ganz und gar nicht edlem, dazu leider auch ganz schwach geschauspielerten) Polizist, entführt von einem wilden, glutäugigen, dabei skurrilerweise auch oft ziemlich gagaesken Verbrecher. Dass das alles Gefühlschaos vorprogrammiert, ist klar.

Ratnam gelingen immer wieder tolle, höchst edle Bilder (Großaufnahmen! Zeitlupen!); die komprimiert in der Mitte des Films eingestreuten Tanzsequenzen sind (immer noch) gewöhnungsbedürftig, aber eindrucksvoll. Die Schwäche des Films ist trotz aller kulturellen Eigenheiten leider seine Zerfahrenheit. Eine wichtige, dramatische Szene zu Beginn wird öfter wiederholt um Bedeutung draufzustempeln, doch immer wieder gibt es auch kürzere, fast abgehakt anmutende Sequenzen, die schnell wieder vorbei sind und schon eilen wir zum nächsten Punkt. Das pathetische Ende verspricht zunächst große Emotionen, wird aber, anstatt dann auch mal zu enden, immer zäher und fader.

Ratnam hätte alle Möglichkeiten gehabt, ein fesselndes und inszenatorisch großes, alternatives Bollywood-Epos zu schaffen, doch am Ende überwiegt dann doch etwas die Ernüchterung. Der durchgedrehte, charmante Schurke (als einziger des Haupt-Trios wirklich charismatisch) und Szenen wie der Showdown-Kampf auf der Brücke, dazu die immer wieder edlen Bilder (und tatsächlich, die Tanzeinlagen) machen das ausufernde Epos aber schon sympathisch.

7. März 2013

Los viajes del viento (Ciro Guerra) 8,45



Roadmovie mit Esel und Akkordeon. Ciro Guerra hatte schon fünf Jahre zuvor mit La Sombra del caminante einen faszinierenden Film mit einer völlig eigenen Bild- und Filmsprache geschaffen. Dieser hier ist doch etwas „normaler“, im Kern aber recht ähnlich zum Vorgänger: ein (übliches) Roadmovie mit Außenseiter-Freundschaft (jung und alt) und Coming of Age Elementen, doch Guerra findet magische Bilder und vor allem traumhafte Musik(einlagen). Der alte Akkordeonspieler mit seinem genial stoischem Gesicht; die Musikszenen wie der unglaubliche „Battle“ oder auch das ekstatische Trommeln beim Taufritual - wunderbare, genuine Elemente und Momente.

Mit viel Gelassenheit, aber auch cineastischer Meisterschaft inszeniert, wird der Film immer ruhiger, immer metaphysischer, am Ende gar einem asiatischen Kung Fu Film ähnlich, oder an ruhige Szenen aus einem Jodorowsky-Film erinnernd. Eine Vision voller Herz und Menschlichkeit mit einem (im Gegensatz zum eingangs erwähnten, eher mager endenden "Sombra del caminante") famosen, tief berührenden, existenziellen Ende.

2. März 2013

Samson and Delilah (Warwick Thornton) 5,20



Seltsame Distanzierheit hervorrufendes 'Liebesdrama' zweier armer Aborogines-Jugendlichen, die am Land verwahrlost und ohne Freude leben, dann (nach dem Tod der Großmutter von ihr) in der Stadt versuchen, Geld (für Essen, und Benzinschnüffeln für ihn) aufzutreiben.

Dem Filmemacher gelingen manchmal schöne Momente, in denen die Musik die Bilder gut ergänzt. Und hin und wieder (zu selten!) sind die Bilder auch beeindruckend, doch spätestens mit dem Auftritt eines eher unglaubwürdigen Obdachlosen (kein Mißtrauen, gibt sofort sein Essen ab, spricht für einen offenbar psychisch Kranken enorm reflektiert und immer das "Richtige" – als ob der Erzähler zu S&D durch diese Filmfigur spräche, ganz schräg) kippt der Film ins Grenzblöde und immer Uninteressantere, leider insgesamt ziemlich Belanglose.