18. Mai 2013

Blick zurück: Cannes - vor 10 Jahren


Alle Blicke richten sich in diesen Tagen wieder einmal nach Cannes, zu den renommiertesten und glamourösesten Filmfestspiele der Welt. Natürlich ist es nie so, dass in Cannes immer die besseren und bedeutenderen Filme laufen als bei den anderen Festivals; aber fest steht: was hier im Wettbewerb gezeigt wird, hat stets die besondere Aufmerksamkeit der Cine-Welt und eine gewisse Bedeutung im aktuellen Kino.

Der gewöhnliche Cineast ohne Zugang zu den sog. A-Festivals (wie auch Venedig) sollte eigentlich meinen, dass jeder Film, der im Cine-Mekka der Cote d'Azur zu Aufführungs-Ehren kommt, auch eine zumindest kleine Kino- oder DVD Auswertung "zuhause" erhält.

Während man derzeit also in den verschiedenen Zeitungen, Websites und Blogs gespannt verfolgt, was sich dieses Jahr so in Cannes tut (u.a. hier und hier), möchte ich vom beschaulichen Wien aus mit diesem Beitrag zurückblicken, welche Filme, es denn von damals "geschafft haben" (in das kollektive Cine-Gedächtnis), auf jene, die wenigstens irgendwie gezeigt wurden, und ob es auch solche gab, die komplett "untergegangen" sind...das könnten nämlich mit einiger Wahrscheinlichkeit sehr aufregende Filme sein.




Cannes 2003 – Wettbewerb


Kinoauswertung Österreich

  • The Brown Bunny (Vincent Gallo)
  • Ce jour-là (Raúl Ruiz)
  • Dogville (Lars von Trier)
  • Elephant (Gus Van Sant)
  • Les Invasions barbares (Denys Arcand)
  • Mystic River (Clint Eastwood)
  • Panj é asr / "At five in the afternoon" (Samira Makhmalbaf)
  • Swimming Pool (François Ozon)
  • Uzak (Nuri Bilge Ceylan)

DVD-Auswertung deutschsprachig

  • Carandiru (Héctor Babenco)
  • Otets i syn / "Vater und Sohn" (Alexander Sokurov)

DVD-Auswertung englischsprachig

  • Akarui mirai / "Bright Future" (Kiyoshi Kurosawa)
  • Il cuore altrove (Pupi Avati)
  • La Petite Lili (Claude Miller) (arte-Ausstrahlung 2008)
  • Les égarés (André Téchiné)
  • The Tulse Luper Suitcases, Part 1: The Moab Story (Peter Greenaway) (ausgestrahlt im Schweizer TV 2007)
  • Tiresia (Bertrand Bonello) (arte 2006)
  • Zǐ Húdié / "Purple Butterfly" (Lou Ye)

keine Veröffentlichung außerhalb des eigenen Landes (bekannt)

  • Les Côtelettes (Bertrand Blier)
  • Sharasojyu (Naomi Kawase) (arte-Ausstrahlung 2007)



Von 20 Wettbewerbsfilmen erreichten lediglich 9 die österreichischen Kinosäle. 
(Einer mehr, wenn auch hier die Recherche nicht so gründlich war, die deutschen; wobei es seltsam anmutet, warum es ausgerechnet der Sokurov nicht auch zu uns geschafft hat...).

7 der von den deutschen Verleihern übergangenen Werke sind immerhin im englischsprachigen Ausland veröffentlicht worden (was leider nicht überrascht, dass wir hier deutlich hinterherhinken...).
Besonders enttäuschend und durchaus überraschend ist hierbei, dass mit K. Kurosawa, Claude Miller und Greenaway, so wenig ich auch zur Qualität und Genießbarkeit seines Werks sagen kann, Filmemacher vernachlässigt wurden, deren übriges Werk sich dem deutschen Markt ja auch nicht völlig entzieht. Bertrand Bonello wurde mit "L'Apollonide" immerhin fast 10 Jahre später doch noch ein Platz in der Programmkinolandschaft zugestanden.

Von zwei Filmen durchaus namhafter FilmemacherInnen ist keine Veröffentlichung bekannt, wobei man als deutschprachiger Filmfreund immerhin "Shara" von Naomi Kawase bei arte sehen konnte.

Somit bleibt Bertrand Bliers LES CÔTELETTES scheinbar der einzige mysteriös Vergessene dieses Cannes-Wettbewerbs von vor 10 Jahren.

Dass Filme aus Japan oder China bei uns, um es mit Understatement zu sagen, stiefmütterlich behandelt wurden und werden (solange es sich nicht um "Brutales", "Weirdes" handelt), ist ja leider auch keine Überraschung.


Nun auch noch ein kleiner Blick auf die ja ebenfalls immer sehr interessante Schiene UN CERTAIN REGARD:

Hier haben es von 19 Filmen (m.E.) nur 5 ins Kino geschafft, und zwar "American Splendor", "La meglio gioventu", "Crimson Gold" "Young Adam" und, kein Wunder, der österreichische Beitrag "Struggle".

Von den meisten anderen Werken bzw. FilmemacherInnen habe ich noch nie etwas gehört, (mit der Ausnahme des sperrigen Desplechin "En jouant 'Dans la compagnie des hommes'", der irgendwann mal Jahre später zu Mitternacht bei arte lief..).

Hier gäbe es also sicher noch viel zu entdecken.


Da man immer wieder einmal eine Veröffentlichung kleinerer Labels übersehen, und die Auflistung deswegen natürlich eventuell Fehler beinhalten kann, bin ich für Hinweise zu den übergangenen Filmen dankbar. Man könnte sich in dieses Veröffentlichungs-System sicher auch noch weiter vertiefen als ich es mit diesem kurzen Anriß getan habe..


Ich bin gespannt, wie die Bilanz in den weiteren Jahren ausfallen wird. Vielleicht wird dies ja auch so etwas wie eine neue, konstante Rubrik, und irgendwann entsteht dann mal ein komplexer Blick auf die Beziehung zwischen den Festivals und der Auswertung der gezeigten Filme.

Die Hoffnung ist gering, aber sie muß leben: Dass auch die normalsterblichen Cineasten einmal alle diese aufregenden Filme aus Cannes, Venedig und co in den heimischen Kinosälen erleben oder zumindest in den DVD-Regalen entdecken können.


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Inhaltlich kann ich zu diesem Jahrgang gar nicht soviel sagen; meine persönliche Ausbeute sieht nämlich auch zehn Jahre später noch sehr düster aus: Nur 8 Filme aus den beiden genannten Schienen habe ich gesehen!

Dogville von LvT sticht hierbei als der ganz große Wurf heraus, die goldene Palme hätte er für meinen Geschmack noch eher verdient als der allerdings auch sehr tolle Elephant von Kollege GvS.

Die Filme von Eastwood, Ozon und Babenco waren eindrucksvoll, kaum weniger herausragend als die besten Wettbewerbsfilme war American Splendor in der Nebenreihe.

Von den Filmen, die ich noch nicht kenne, scheint mir Uzak von Nuri Bilge Ceylan am spannendsten.


14. Mai 2013

The Grey (Joe Carnahan) 8,3




Ich liebe solche rauen Filme wie diesen, in denen Menschen in einer völlig unwirtlichen, feindlichen Umgebung ums Überleben kämpfen müssen (letztes schräges Beispiel dafür: Essential Killing).

Carnahans durchgehend packender, archaischer Männerfilm ist in einem faszinierenden, eisgrauen „die Natur gefährdet den sonst stets überlegenen Menschen“-Setting angesiedelt, und die Tatsache, dass hier gestandene Männer und nicht grenzdämliche Teenies wie in manchen Slashern um ihr Leben zittern, lässt den Spannungsfaktor enorm steigen. Carnahan, sonst ein Regisseur, der (trotz des womöglich recht guten Thrillers Narc) eher wenig Interesse auf sich zieht, arbeitet oft mit den Mitteln des Horrorfilms bzw. Schockmomenten. Wenn man das Gefühl hat, dies geschehe etwas zu platt, werden sie auch schon wieder weniger.

Neben dem Thrill definiert sich der lakonisch betitelte Reißer vor allem über seine existenzielle Erdung und das persönliche Trauma des Helden (siehe auch hier); Neeson als einsamer, was soll ich sonst schreiben, Wolf trägt den Film, während die Nebenfiguren und das allmähliche Zusammenraufen und -finden natürlich eher nur Klischee sind. Aber das schadet niemals der Intensität. Schade, im Nachhinein hätte ich den nur zu gern im Kino anstatt am Laptop erlebt..wirken konnte er aber auch so zur Genüge.

6. Mai 2013

Drei Mal "Dragon Gate"



Anlässlich der 3D-Kinovorstellung von Tsui Harks Flying Swords of Dragon Gate auf dem letztjährigen slash Festival habe ich mir im Vorfeld auch King Hus Klassiker Dragon Gate Inn ("Die Herberge zum Drachentor") und das von Tsui Hark produzierte 'Remake' New Dragon Gate Inn innerhalb weniger Tage bzw. Stunden angesehen.

In der Hoffnung auf faszinierende Meilensteine eines Genres erlebte ich im Zuge dieses eher zufällig entstandenen Experiments knapp sechs eher zähe, wenig begeisternde Stunden...


Dragon Gate Inn (King Hu, 1967)

Ganz lange während King Hus Film habe ich gedacht: Naja, ein netter Ausgangspunkt für ein Genre, aber das wirkt doch schon leicht angestaubt, ohne dass große Kunst spürbar wäre. Die “komischen” Szenen mit den verschiedenen zankenden Parteien in der Herberge, die man so auch schon in diversen anderen Filmen gesehen hat (z.B. auch in Ang Lees wunderbarem "Crouching Tiger, Hidden Dragon", wenn ich mich recht erinnere..), sind vor allem sehr harmlos...

Generell scheinen die meisten Kämpfe, im Vergleich zum späteren asiatischen Martial Arts Film, noch eher angedeutet, als richtig zelebriert.

Da ist es rückblickend erstaunlich, dass der oft doch arg zähe Film doch der beste der drei Versionen ist; und der Klassikerstatus zumindest halbwegs nachvollziehbar. Denn gerade am Ende gelingen Hu noch diese Elemente großen Kinos, die zuvor vermisst wurden: er baut eine geniale Atmosphäre auf, gipfelnd im faszinierenden Endkampf; eine Qualität und Intensität, die übrigens meinem Empfinden nach in keiner einzigen Szene der beiden Folgefilme von (bzw. unter der Ägide von) Tsui Hark erreicht wird.
7/10


New Dragon Gate Inn (Raymond Lee, 1992)

Film 2 weckte im Vorfeld und zu Beginn große Erwartungen. In blasser Erinnerung sind mir nämlich aus dieser (goldenen?) Ära des HK Martial Arts Kinos noch meine leuchtenden, ungläubig staunenden Augen auf den genial-entfesselten, wildromantischen "Bride with white Hair", oder die irre Kamera aus Harks "The Blade". Auf genau so etwas hatte ich nach jahrelanger Abstinenz wieder einmal richtig Lust. 

Der Anfang des Films gerät auch genauso phänomenal, wie erhofft; danach erstaunt es, dass im weiteren Verlauf bei weitem kein 1:1 Remake von King Hus Klassiker angestrebt, sondern Augenmerk auf andere Elemente gelegt wurde (geheimnisvolle Frau spielt mit Männern, Liebesgeschichte). Eher kein Vorteil für den immer zäheren Film, der durch das ewige Kokettieren von Maggie Cheung auch latent nerviger wird...immerhin gab es ein schräges Treibsand-Finale mit herzigen Knochenstumpf-Effekten..
6/10


Flying Swords of Dragon Gate (Tsui Hark, 2011)

Am selben Tag noch, kurze Zeit später war ich trotz der Ernüchterung nun sehr gespannt auf Harks 3D-Version 20 Jahre danach (von der Lukas Foerster sehr geschwärmt hatte), aber vielleicht sind zwei so ähnliche Genre-Filme innerhalb weniger Stunden dann doch zuviel. Es blieb kaum mehr etwas hängen, der Film fühlte sich wie ein Brei aus den verschiedensten Genre-Elementen an, ich erkannte kaum etwas, das diese Neuinterpretation sehenswert machte; und auch wenn die dritte Version - immerhin - schon wieder ganz anders war als die beiden zuvor, hat mich abgesehen davon fast nichts daran abgehalten, geistig wegzudösen..
5,5/10



Müde und abgeschlagen aus der Herberge Kino getorkelt, Kopf wieder frei machen für die kommenden Filme...

4. Mai 2013

Sehen Sie sich das an!

Einer der schönsten und ergreifendsten Filme, die ich kenne, LA VIE MODERNE, aus Raymond Depardons PROFIL PAYSANS-Reihe, ist noch knapp 3 Tage in der arte-Mediathek zu sehen: http://videos.arte.tv/de/videos/baeuerliche-profile--7470162.html



Auch wenn man dieses Meisterwerk bevorzugt im Kinosaal spüren sollte..



Die anderen Teile der Trilogie sind ebenfalls noch kurze Zeit dort abrufbar!