30. März 2010

Der Räuber (Benjamin Heisenberg) 8,23




Wie in seinem vorherigen Film Schläfer ist auch Heisenbergs Folgewerk sehr in der Authentizität verortet und dennoch oder gerade wegen dem "nach einer wahren Begebenheit" ist es auch ein absolut packender Genrefilm, ein Bankräuberdrama und ein Flucht vor dem Arm des Gesetzes-Thriller, gespickt mit typischen Elementen vergleichbarer Werke. Man fühlt sich bei den Banküberfällen natürlich an Point Break erinnert (der ja auch von der selben Geschichte inspiriert wurde, aber bekanntlich nicht die wahrhaftige Figur des "Pumpgun Ronnie" ins Zentrum rückte wie es bei Heisenberg geschieht) oder man meint später, eine realistische Version von "Auf der Flucht" zu sehen, der Thrillereffekt bleibt nämlich bei aller Bodenständigkeit der Inszenierung stets präsent.

Denn da ist dieser Anspruch immer spürbar, den Film nicht wie aus Hollywood gewohnt, (unnötig?) aufzublasen, sondern alles sehr lebensnah, realistisch wirken zu lassen und trotzdem hin und wieder Raum zu finden für wunderbare Regiegustostückerln wie etwa das seltsame Flirren der Lichter, die langsam näher kommen oder wilde Kamerafahrten (die Flucht durch Hinterhöfe usw.. oder der gemeinsame Marsch mit dem Bewährungsbeamten). Auch das Einspielen von Liveradio bei den Autofahrten ist eine effektive Idee, den Film authentisch zu gestalten und gleichzeitig zu vermitteln, dass hier ein Künstler mit einem Plan am Werk ist.

Auf der Charakterebene halten sich Heisenberg und Komplize/Romanvorlagengeber Martin Prinz sehr zurück und zeigen Rettenberger vor allem als schweigsamen Getriebenen. Nicht einmal seine Quasifreundin erfährt viel von ihm, von seinen Beweggründen oder Absichten, und schon gar nicht der Zuschauer, was den konsequent zu Ende geführten Film vermutlich in erster Linie besonders macht. Vor allem als passionierter (Weg-)Läufer bleibt sie uns in Erinnerung, diese faszinierende, rücksichts- und kompromisslose und doch so traurige, von Andreas Lust zum Fürchten (gut) gespielte Gestalt.

Dass Heisenbergs Film in manchen, essentiellen Punkten von der "wahren Geschichte" abweicht, obwohl er ja so realistisch wirkt, gehört sicher zum Kalkül und ist garantiert keine Schwäche. Heisenberg will mit seiner Arbeit vermutlich auch das Kino und den Umgang mit tatsächlich passierten Sensationsgeschichten als Inspirationsquelle selbst fragen und hinterfragen, aber daran kann man während der atemlosen Tempojagd zunächst eh kaum denken...das zeigt, dass Der Räuber sowohl zum unreflektierten Ansehen/Sich Hingeben als auch zum darüber Nachdenken gut funktioniert.

29. März 2010

Død Snø (Tommy Wirkola) 5,12




Ein postmoderner, bemüht witziger Twenhorror/Nazi-Zombiefilm aus Norwegen, muß das sein? Nicht wirklich, denn Wirkolas Genrearbeit lässt fast durchgehend Kreativität, Rafinesse und Klasse vermissen, einen genre-prägenden und oft -gewohnten Subtext gibt es überhaupt nicht. Stattdessen läuft zu Beginn alles nach Schema F diverser Teen-Slasher ab, mit Spaß, Suff, Sex und einem Fremden, der Unheilvolles ankündigt (und kurz darauf schon auch hopps geht). Die Verweise auf Klassiker wie Evil Dead oder Dead Alive/Braindead fallen unter lustlos abgehaktes Pflichtprogramm, auch sonst gebären sich Charaktere, Dialoge und Kameraeinstellungen ziemlich langweilig. Als nächstes belagern dann die Zombies die Waldhütte und ich stellte mich schon auf einen ideenlos-öden, weiteren Night of the living Dead-Verschnitt ein, aber dann befreien sich zum Glück endlich die Charaktere und der Film: die Schneelandschaft wird gut ausgenützt und Dead Snow nimmt Fahrt auf und beginnt doch noch Spaß zu machen, gerade als er am Tiefpunkt schien.

Doch das Problem ist, dass Wirkola dann nicht komplett auf die Fun-Schiene wechselt, sondern mitten im spaßigen und schön saftigen Gemetzel ja wieder mal an die bisherigen Opfer der Truppe erinnert…ach ja, da war ja noch was, die besten Freunde sind ja tot und deshalb stellt sich bei den 2 letzten "Negerlein" wieder ganz kurz Trauer und Schock ein; da wird man plötzlich dran erinnert, dass bei erst kürzlich dahingerafften Freunden der dominierende Fun-Faktor des Films ja eigentlich Blödsinn ist und diese eigenartige Dissonanz, die durch eine kurze Szene bei Wirkola selbst betont und in Erinnerung gerufen wird, lässt Død Snø gleich wieder ordentlich fallen. Dazu schreit eine 1:1 Kopie einer grandiosen The Descent-Szene zum Plagiatshimmel.

Dead Snow wird gegen Ende etwas seltsam, er mischt Grauen und Groteske nahtlos ineinander, die Szenen beim Showdown (obligatorische Selbstamputation plus anschließendem ernüchternden Überraschungseffekt) wirkten auf mich nicht reizlos, aber auch weder beklemmend noch wirklich komisch, der Film scheint manchmal selbst wie seine Protagonisten, völlig benommen, bevor er wiederum absolut Schema F mäßig endet.

So bleibt nur die Erinnerung an ein paar nette (und eine gar eklige Klo/Finger-Ableck-Erotik-) Szenen zwischendurch, der Film ist nicht ärgerlich und auch nicht wirklich schwach, selbstverständlich “kompetent” gemacht, aber warum sollte jemand, der nur ab und zu dieses Genre konsumiert, ausgerechnet Dead Snow anschauen, wenn es doch soviele andere gute Werke dieser Richtung, egal ob ironisch-komisch oder beklemmend-spannend, gibt? Und vermutlich wird es selbst für die mir so fernen Genrefans auch nicht ganz zum absoluten Kultfilm reichen; Wirkolas Genre-Variation ist also eine etwas halbgare Geschichte, die möglicherweise den Verantwortlichen selbst am meisten Spaß gemacht hat. Da war Eli Roth 7 Jahre (!) zuvor mit dem zumindest ausgefallenen Cabin Fever doch schon deutlich weiter – obwohl jener letztendlich ja auch kein gelungener Film war.

26. März 2010

Tyson (James Toback) 8,19




Jeder Sport lebt von seinen „Typen“. Erfolgreiche und charismatische Spitzensportler sind das Salz in der Suppe, bereiten Millionen Menschen Freude und dienen oft als Idole für Jugendliche. Gerade diejenigen, die es von ganz unten nach ganz oben schaffen, sind es, die am meisten Vorbildwirkung ausüben können.

Mike Tyson ist so einer, der von ganz unten nach ganz oben kam. Doch er ist auch einer von denen, die da oben nicht nur ruhmvoll strahlten und ein positives Vorbild sind, sondern er ist einer, der stets mit schweren Problemen kämpfen musste und seine ständige Gewaltbereitschaft nicht nur auf den Ring beschränken konnte. Seine ungeheure Aggressivität, die ihm sportlich soviel ermöglichte und ihm privat soviel zerstörte, ist ein Teil von ihm, sie macht ihn aus und er konnte sie nie ganz in den Griff bekommen.

James Toback geht in seiner Doku-Bio einen ungewöhnlichen Weg. In den typischen Interviewpassagen lässt er ausdrücklich Mike Tyson über Mike Tyson sprechen und niemanden sonst. Daneben wird in Filmausschnitten das Leben Tysons aufgerollt, zumindest Teile davon, denn die komplette Lebensgeschichte (vielleicht auch aus anderen Perspektiven erzählt!) könnte vermutlich mehrere Filme gut füllen.

Was, und vor allem auch wie Tyson über sich spricht, das ist wie Vieles an diesem Mann faszinierend und auch oft erschütternd zugleich. Mal mit den Tränen kämpfend, als es um den Verlust seines Entdeckers, Trainers und Vaterfigur geht, dann wieder scheinbar gefühllos oder auch wenig selbstkritisch ob seiner aggressiven Ausbrüche in und außerhalb des Rings – Tyson ist wie er ist, ein Mann der Gewalt, unter anderem. Später sieht man ihn wieder liebevoll mit einer seiner Töchter spielen. Er sei „tired of fighting“, sagt er gegen Ende und man fragt sich, wird dieser Mann im Alter doch noch seine Aggressivität verlieren und imstande sein, ein ruhiges Leben zu führen? Die Reflexion auf diese Frage beinhaltet Hoffnung und Skepsis zugleich.

24. März 2010

Zuletzt befreit mich doch der Tod (Beate Middeke) 8,80




Eine junge Frau, wahrscheinlich jahrelang von Vater und Mutter mißbraucht und terrorisiert, danach ebenso jahrelang in psychiatrischer Behandlung, sieht schließlich nur noch den Tod als einzigen Ausweg aus ihrem Seelenleid und begeht Suizid. Sie hinterlässt auch einen Wunsch, nämlich “dass etwas mit den Sachen passiert, die ich erzählt und aufgeschrieben habe.”

Middeke interviewt in ihrer dokumentarischen Aufarbeitung dieses Falles Angehörige, Freunde, Therapeuten und Wegbegleiter des Mädchens und spielt dazu Passagen bestehend aus Tagebucheintragungen der gepeinigten Gwendolin ein. Die Nüchternheit dieses Films ist einem derartig tragischen Thema absolut angemessen; Middeke versucht, der Wahrheit nachzuspüren, aber es wird auch klar, dass man sich ohnehin nie sicher sein kann, wieviel an den Grausamkeiten, die von einer psychisch schwer angeschlagenen und zutiefst geknickten Betroffenen geschildert werden, auch tatsächlich geschehen sind. Waren die Mutter, der Stiefvater in den schrecklichen Mißbrauch verwickelt, fragt man sich z.B. schaudernd, während sie zu uns in die Kamera sprechen.

Es ist ein formal extrem reduzierter Dokumentarfilm über die grausame Realität, eine Spurensuche der Verzweiflung, ein Versuch der Aufarbeitung, so fern wie möglich von jeder Form des Sensationsjournalismus und genau darum extrem gut gelungen – die einzige kleine Kritik an dem Film: die Fragen Middekes an die Interviewten sind so leise abgemischt, dass man sie nicht hören konnte. Dies fällt jedoch angesichts der Bedeutung dieses höchst ehrbaren und mutig nachforschenden Films nicht ins Gewicht.

23. März 2010

Vinyan (Fabrice Du Welz) 8,32

Ein reiches Ehepaar hat den kleinen Sohn vor einem halben Jahr während der Tsunamikatastrophe verloren, doch auf einem Video glaubt die Frau den Jungen zu erkennen. und damit noch am Leben. Die beiden begeben sich sodann mit der Hilfe von zwielichtigen Gestalten auf eine hoffnungslos scheinende Suche nach ihrem Kind durch sich unheilvoll anfühlende Regionen Thailands…es soll eine Reise ins Hirn der Finsternis werden.


Du Welz nützt erstaunlicher- und erfreulicherweise viele Mittel eines Experimentalfilms, um den (zunächst noch sehr subtil vermittelten) Schrecken der traumatisierten Eltern in ungewöhnliche Bilder und Töne umzusetzen, und zieht neben vielen Minuten der eher entspannten und unaufgeregten Inszenierung irgendwann die Intensitätsschraube ganz langsam immer fester an – je näher sich der Film und damit die verzweifelt-fanatische Suche des Paares dem Ende zuneigen, desto halluzinierender wird das Ganze. Vinyan gleitet oft gefährlich, vielleicht ja sogar genüßlich an der Grenze zur Lächerlichkeit (z.B. Bearts Schauspiel!) dahin und ist natürlich kein wirklich ernst(zunehmend)er Film zum Thema Traumatisierung, jedoch, was hier von Bedeutung ist, es ist ein von ganz besonderer Atmosphäre erfülltes Stück Schauerkino: ein faszinierendes, eigenwilliges, wunderbar flirrendes, außergewöhnlich inszeniertes und schließlich aus all diesen Gründen auch eine Art (so dies denn die richtigen Worte sein können) kindlich-morbide Freude bereitendes Psychothrillerdrama (und mehr).

Shahida: Brides of Allah (Natalie Assouline) 7,05




Doku über palästinensische Frauen im Gefängnis, die wegen Durchführung oder Mithilfe von religiös motivierten Anschlägen einsitzen. Der Regisseurin gelingt es, Allahs Bräute sehr intim zu filmen und auch ehrliche Ansichten über ihre Motive und etwa den Djihad zu erhalten – welche sich doch für den neutralen Mitteleuropäer sehr beklemmend ausnehmen; und der Fatalismus von Müttern, die selbst nach der Verhaftung kaum Reue oder Umdenken zeigen, und weiter an ihre Sache, ihren Gott glauben, während sie ihre Lebensjahre sinnlos hinter Gittern verbringen und ihre Kinder draußen ohne sie aufwachsen müssen, kann schockieren.

Obwohl Assouline hier also eine ordentliche und halbwegs erhellende Arbeit abgeliefert hat, bleibt andererseits so ein bisschen der Eindruck, dass sie den inhaftierten Frauen vielleicht schon noch etwas mehr über ihre wahren Gefühle entlocken oder sie auch noch etwas härter mit den Folgen ihrer Handlungen konfrontieren bzw. weiterführende Reflexionen über die Gewaltspirale des Konfliktes in Erfahrung hätte bringen können. Es mag aber auch sein, dass diese strenggläubigen, naiven, verblendeten Frauen gar nicht zu weiterem Nachdenken über den Irrsinn dieses Religionskrieges befähigt sind, als wir durch Assoulines Film erfahren konnten. Natürlich wird aber auch gut klar, dass sie in diesen wahnsinnigen Konflikt bereits hineingeboren werden und der Spielraum, alternative Lebenswege einzuschlagen, ja solche überhaupt aufgezeigt zu bekommen, höchst begrenzt ist.

22. März 2010

Parlez-moi de la pluie (Agnès Jaoui) 8,14




Eine weitere leichtfüßig-charmante Komödie von und mit dem Autorenpaar Jaoui und Bacri. Erzähl mir was vom Regen ist ein positiver Wohlfühlfilm mit einem Hauch von Tiefgang, das Geschehen bestimmen Lebens- und Persönlichkeitskrisen, auch politische Themen werden angeschnitten oder veralbert – alle Beteiligten hatten offenbar großen Spaß an dem Projekt, das merkt man.

Der Aufhänger – 2 Chaoten drehen einen Film und vieles geht schief – wird mit Witz und Charme verarbeitet und drumherum spinnen sich die paar kleinen Dramen der Charaktere, die sich letztlich fast alle in Wohlgefallen auflösen. Dennoch hatte ich nicht den Eindruck, einen betont flachen Film gesehen zu haben. Jaoui und Bacri arbeiten kompetent, um das Herz des Zuschauers mit Gefühl, Romantik und Komik zu erobern, bei mir hat es auch gut funktioniert.

20. März 2010

Eldorado (Bouli Lanners) 7,75




Ein Roadmovie mit zwei schrulligen Außenseitern, die sich im Laufe des Films immer mehr anfreunden und gemeinsam skurrile Begegnungen erleben und durch das Zusammensein mit dem anderen selbst wachsen...Werke dieser Gattung gibt es wohl bereits so einige in der Filmgeschichte und jeder neue Vertreter muß sich die Frage gefallen lassen, ob er nicht einfach eine Routine mit ein paar eigenen Ideen abspult.

Eldorado wirkt dann zunächst auch bloß wie ein solider, recht netter, aber nicht allzu aufregender Vertreter dieser Gattung. Doch gerade in der letzten halben Stunde gelingt dem Belgier Lanners, vor allem dank einer unerwartet intensiv-intimen Küchenszene und einer anschließenden gefühlvollen Montage im Garten sowie einem eher unkonventionellen, offenem Ende seine relativ kurze Arbeit scheinbar sehr persönlich zu färben und damit ganz sanft zu reüssieren. Denn letztlich kann man hier, bei Yvans und Elies Reise, trotz der immer recht risikolosen Verwendung einiger altbekannter, altbewährter Genre-Elemente, auch als alter Roadmovie- und Lakonische Filme-Hase doch wieder das Gefühl haben, etwas ganz Eigenes gesehen und miterlebt zu haben. Lanners Roadmovie ist also nicht (nur) bloß ein halbgares Aufkochen eines beliebten Rezeptes, sondern sympathisch, herzlich, ehrlich verschroben und durchaus sehenswert.

19. März 2010

The men who stare at goats (Grant Heslov) 6,81




Hm, wieder einmal ein schräger, absurder Film. ...Zu dem mir nicht viel einfällt, außer dass er eben "ganz nett" und "ganz witzig" war. Die Geschichte um die Mentalisten bei der Army ist sicher eine gute Grundlage für den Film, die Stars wie Clooney, Bridges oder Spacey sind vergnüglich anzuschauen (aber eben auch nicht mehr), das ganze Treiben wirkt auch irgendwie angenehm eigenbrötlerisch, es gibt ein paar sehr nette Szenen und Dialoge rund um das verzerrte Denken von Menschen, die an Paranormales, u.ä. glauben, und dennoch bleibt nach dem Abspann nicht allzuviel außer einem gedanklichen Achselzucken und einem "ja, okay" über (und einem seit einer Woche nervenden, aber bleibenden "More than a feeling"-Ohrwurm). Das alles soll den durchaus vorhandenen Unterhaltungswert des zuweilen recht amüsanten Films nicht schmälern, aber wirklich gut, erinnerungswürdig oder dringend empfehlenswert sieht auch anders aus.

Das Ende erinnerte mich dann an die coole Anarchie aus Buffalo Soldiers: jener ist mir jedoch, bei zumindest ansatzweise vergleichbarer Thematik, deutlich bissiger und relevanter und mindestens genauso absurd und unterhaltsam in Erinnerung wie die zwar sympathischen, aber etwas kraftlos aufziegenstarrenden Männer.

17. März 2010

The Genius and the Boys (Bosse Lindquist) 8,75




...ist zunächst einmal eine formal konventionelle, dokumentarische Wissenschafterbiographie mit Fotos, Videoaufnahmen des Porträtierten und mit Interviews von berühmten Forschern, die das Leben ihres Kollegen und Freundes Carlton Gajdusek kommentieren.

Trotzdem ist dieser Film außergewöhnlich, unglaublich, spannend und faszinierend. Der Grund liegt in Gajduseks Persönlichkeit, einem Geist zwischen Genie und Wahnsinn. Der jüngste Medizinabsolvent der USA, Nobelpreisträger für seine revolutionäre Forschungsarbeit, ein willensstarker Eigenbrötler, der seinen unkonventionellen Weg erfolgreich beschritten und viel Gutes für und in dieser Welt getan hat.

Aber da sind ja noch seine boys, die der erfolgreichen Vita bittere Schattenseiten hinzufügen: seine Liebe zu Kindern, die er nicht nur darin auslebte, dass er afrikanische Kinder zu Dutzenden adoptierte und von ihren Stämmen in die amerikanische Zivilisation brachte und ihnen den Zugang zu Bildung und Wohlstand ermöglichte. Viele von ihnen sind ihrem Ziehvater dafür dankbar, doch das ist nicht alles: Gajdusek hat eben eine sehr eigene Auffassung der Kinderliebe...

Gajduseks Forschungreisen, die Aufnahmen und Tagebuchberichte über die kannibalistischen Stämme und deren homosexuelle Riten, welche Gajdusek amüsiert, fasziniert und begeistert haben, sind auch für den Zuschauer sehr interessant aufgearbeitet. Man taucht hier (leicht) in eine Welt ein, die uns Mitteleuropäern so unfassbar wild erscheint und so fremd ist wie nichts anderes: Beklemmung und Faszination stellen sich ein, wie es bei einem fiktiven oder fiktionalisierten Zugang niemals möglich wäre. Dazu wird die Charakterisierung Gajduseks immer schräger, bis schließlich er selbst, am Ende des Films, Reden vor der Kamera hält, die einen nur noch ungläubig dasitzen lassen.

Lindquist spielt geschickt mit den moralischen Standpunkten und Diskussionen rund um Gajduseks sexuelle Vorlieben und die sicher absurde Frage nach der kulturell bedingten Berechtigung hierzulande verbotener sexuellen Praktiken mit Minderjährigen, bevor er letztendlich klar macht, wie bizarr und verzerrt die Einstellungen des wissenschaftlichen Genies sind. Die Persönlichkeit Gajduseks ist extrem komplex; dass er kein schlechter Mensch ist, wird von Lindquist im Laufe des Films genauso gut herausgearbeitet wie seine fatalen Fehlhandlungen...ich könnte zu diesem Werk vermutlich noch ewig weiterschreiben, ein großartiges, diskussionswürdiges und diskussions- und gedankenanregendes, finsteres Porträt über die Komplexität und die Existenz extremer Ausläufer der menschlichen Psyche - bzw. um körperliche Vorlieben und Bedürfnisse und die Frage, wo denn überhaupt Liebe bzw. angenehme Gefühle aufhören und Mißbrauch bzw. psychische und physische Gewalt beginnen. Ein Monsterwerk.

16. März 2010

Below Sea Level (Gianfranco Rosi) 8,70




Sie leben mitten in der kalifornischen Wüste, in alten Wohnwägen, o.ä., ohne Strom, fließendes Wasser oder sonstige zivilisatorische Errungenschaften: Extreme Außenseiter der Gesellschaft, die es hierher verschlagen hat, werden von Rosi gefühlvoll porträtiert. Und diese paar sehr schrägen (traurigen) Gestalten, deren teilweise hochtragische Lebensgeschichten langsam, subtil und respektvoll dem Zuschauer vermittelt werden, sind definitiv einen schönen Film wie diesen wert.

Rosi berichtet uns von scheinbar gescheiterten Existenzen, die jedoch völlig unterschiedlich zu ihrer Lage stehen; Verzweiflung und Resignation ist nur eines von mehreren möglichen Gefühlsmustern der Wüstenkommunenbewohner. Auch die andere Seite, das Ausleben von Träumen wie auch eine Freude, auf diese sonderbare Weise zu leben, werden spürbar, auch wenn das bei manchen wiederum nur eine Art Galgenhumor, Zweckoptimismus oder die kleinere Seite der Medaille sein mag - es ist auch vieles an positiver Stimmung in diesem Film spürbar.

Der Regisseur porträtiert jedenfalls hautnah und ungeschönt diese paar sehr faszinierenden Charaktere, die sich auch in Persönlichkeit und Gründen ihres Aussteigens stark unterscheiden - das macht den Film auch trotz mancher Länge faszinierend - ein Einblick in eine kleine Welt, von der man sonst vermutlich nicht einmal erfahren hätte. Es sind sich Zeit nehmende Filme wie dieser, die uns etwas über unsere Welt und die Vielfalt der Menschen, die in ihr leben, berichten können und diese Menschen über die Leinwand oder den Bildschirm kennenzulernen, kann einen selbst, ähnlich wie jede außergewöhnliche persönliche, unmittelbare Erfahrung, bereichern. Danke, Mr. Rosi für diesen erinnerungswürdigen und höchst sehenswerten Film über diese Leute ganz am äußersten Rande unserer Gesellschaft.

15. März 2010

Le Passager (Eric Caravaca) 7,47




Ein Mann, von dem wir nicht viel wissen, muß gleich zu Beginn seinen Bruder begraben, danach begibt er sich auf die Straße und trifft eines Nachts im Hotel Marysol (dt. Titel) ein, wo er für einige Tage absteigen wird. Die Hotelbesitzerin und deren Ziehsohn kämpfen ebenfalls mit Lebensschwierigkeiten und bald intensiviert sich der Kontakt zum fremden Gast...

Caravaca (bekannt u.a. aus Patrice Chéreaus bewegenden Son frère, mit ähnlichem Grundthema) verfilmte einen mir wiederum unbekannten Roman (zu welchem ich vor kurzem noch eine sehr negative Kritik fand, die sich im Moment aber erstaunlicher- und bedauerlicherweise nicht mehr auffinden lässt). Die Kritikpunkte jedenfalls, die dort genannt wurden (abgelutschte Motive wie den Fremden und die schöne Frau oder im weitesten Sinne unpassende Sprache, wenn ich mich recht entsinne), scheinen für den Film irrelevant; Caravacas Werk ist eines der leisen Töne, sicher auch ein wenig auf die Coolness der Konstellation des Fremden und der alleinstehenden Frau aus, doch das Ganze fühlt sich sehr angenehm an (jedoch nicht im Sinne von leichter Kost, sondern angenehm einfach) und wirkt sehr persönlich.

Schließlich bekommt die Geschichte, die auch, ähnlich wie vor kurzem Boy A, durch kurze, geheimnisvolle Rückblenden durchsetzt ist, noch einen tieferen Anstrich, als es zunächst wirkt. Die melancholisch-entspannte, bloß an wenigen Stellen dramatisierende, Intensität und Spannung erzeugende Umsetzung mithlfe der unverkrampften Darsteller (u.a. Regisseur<=>Hauptrolle) lässt Le Passager zu einem sehenswerten, lebensnahen und trotzdem auch künstlerisch anmutenden Film werden, auch wenn es halt ein recht "kleiner" (vielleicht nicht besonders "wichtiger") ist, wie manche vermutlich sagen würden - entspricht hier auch irgendwo meinem Gefühl, deshalb auch die Note trotz Fehlen echter Kritik und einer recht stimmigen Arbeit knapp unter der gerundeten 8 Punkte-Marke.

14. März 2010

Trains of Winnipeg - 14 film poems (Clive Holden) 8,33




Sammlung aus 14 von Holdens Stimme vorgetragenen, voneinander unabhängigen Gedichten oder Geschichten, die mit experimentellem Filmmaterial (und exp. Musik) kombiniert werden. Das ist, nach einer gewissen Eingewöhnungsphase, durchwegs faszinierend und aus der Summe der einzelnen ganz unterschiedlich angelegten und thematisch voneinander abweichenden, auch in ihrer scheinbaren Gewichtigkeit von lakonischen Szenenbeschreibungen bis zu tiefgründigen (Selbst-)Reflexionen variierenden Teile ergibt sich schließlich ein, natürlich auch visuell spannendes, gelungenes Ganzes, ein künstlerisch ansprechendes und angenehm eigenwilliges persönliches Weltbild.

10. März 2010

Boy A (John Crowley) 8,84


Ein feinfühliger Resozialisierungsfilm, der mit der Entlassung aus dem Gefängnis beginnt. Der junge Jack war als Kind in einen Mord verwickelt, das bahnt sich bald an, im Verlauf des Films wird in Rückblenden Klarheit in die Geschichte gebracht, während in der Gegenwart Jack versucht, in ein normales Leben eines jungen Mannes (Arbeit, Fortgehen, Freundin) hineinzufinden. Doch er scheint noch immer heftig traumatisiert und darüber hinaus lässt sich trotz neuer Identität die schreckliche Vergangenheit nicht auslöschen…

Ungemein sensibel setzt Crowley die mir unbekannte Romanvorlage um, dazu sind die jungen Schauspieler unverbraucht, authentisch und hervorragend. Boy A, der große Ähnlichkeiten zu The Woodsman aufweist, ist ein bewegender, sehr schöner Film mit einem wichtigen Anliegen, nämlich den vielschichtigen Menschen bzw. die komplexe Geschichte hinter den hier auch gut thematisierten, allzu bekannten eindimensionalen, reißerischen MÖRDER/MONSTER-Schlagzeilen zu sehen und zu verhandeln, dass jeder nach Abbuße seiner Strafe eine zweite Chance verdient hätte.

9. März 2010

Shutter Island (Martin Scorsese) 7,68




Lehanes Buch ist ein cleverer, spannender Cop-/Pulp-/Psycho-/Trauma-Thriller mit einigem an psychologischem Tiefgang (soweit es für ein Stück Unterhaltung eben sinnvoll oder nötig ist), markigen Typen, coolen Dialogen und einer schlichtweg geilen Geschichte um eine Insel mit psychisch kranken Strafgefangenen, von der es für die beiden Marshalls nicht nur aufgrund eines orkanartigen Sturms kein Entrinnen mehr zu geben scheint…

Scorseses Verfilmung hat definitiv zwei kleinere Probleme gegenüber seiner Vorlage: erstens, dass die Figuren im Detail etwas flach bleiben und (für mich eigentlich sehr überraschend!) einiges an den lässigen Sprüchen fehlt und zweitens, dass die psychologischen Feinheiten, welche im Geschriebenen einfach besser verhandelt werden können, auch nicht besonders zum Tragen kommen, auch wenn durch Bilder vieles, eben auf einer anderen Ebene, erhalten bleibt. Somit ist wie oft bei Literaturverfilmungen (selbst wenn es sich hier nur um bessere Trivialliteratur handelt) erstmal festzuhalten, dass der Thriller im Buchformat doch mehr und vor allem noch etwas anders gelagerte Qualitäten hat als der Film.

ABER: Scorseses Werk ist dafür herrlich anzusehen. (Eigentlich müsste ich nun alles groß schreiben, das käme dem extremen Regiestil – ähnlich expressionistisch wie schon bei Cape Fear – wohl am Nächsten.)

Marty macht keine Gefangenen, die Bilder sind überlebensgroß, artifiziell, cinephil Vorbildern nacheifernd, der Score wummert aufdringlich, hier ist alles LARGER THAN LIFE. Copthriller, Psychothriller, Noir, Grusel, Holocaust, Melodram, ironische Schauspielgrößen: Shutter Island wirkt wie der klassizistischste, stilvollste, sympathischste postmoderne Film, den es je gab.

Und obwohl kleinere Feinheiten des Buches auf der Strecke bleiben, hat er eine trickreiche Story zu bieten, die einen auch nach der Abblende fesseln und nachdenken lassen kann.

Das alles macht den großen Charme dieses leicht kuriosen Projektes aus, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass man ohne Kenntnis der Vorlage (zu) wenig(er) Bezug zu dem Film aufbauen könnte. Scorseses exaltierte Interpretation der Vorlage mag kritikwürdig sein, vielleicht etwas daran vorbeizielen, aber all das kann den Spaß, den dieses Monstrum der Liebe zum Kino in den zwei Stunden, in denen es von der Kinoleinwand flimmert, macht, nicht auslöschen.

(wobei noch erwähnt werden sollte, dass eine ausgedehnte Szene am Ende den Film doch in eine versucht ernsthaftere Richtung lenkt, die nicht so recht zum Rest passen mag..)

8. März 2010

Youth without Youth (Francis Ford Coppola) 7,45




Eine seltsame, mysteriöse, wahnhafte, richtiggehend spinnerte Geschichte; die großen Themen menschlicher Existenz; edle Bilder, und dann auch noch endlich mal wieder Tim Roth in einer Hauptrolle – Coppolas von Kritikern und Fans mehr belächeltes als beklatschtes Comeback hat mir eigentlich ziemlich gut gefallen.

Man kann all das sicher auch als prätentiös, pointless oder sogar trashig abkanzeln, ich sah aber einen Film, der sehr originär, völlig unvorhersehbar und angenehm anders war. Unerfüllte Liebe, Alter, Tod, Krieg, und einiges mehr wird hier verhandelt, wenn auch, zugegeben, oft etwas nichtssagend. Wenn jemand argumentieren möchte, warum dieser Film weniger gelungen sei, wird es sicher einiges an Material geben, doch ich verbrachte schon zwei nette Stunden; der eine oder andere Schmunzler darf ja auch erlaubt sein und trägt dann auch das Seine zu guter Stimmung bei.

Betrachtet man den Liebesstrang, lassen sich zu Benjamin Button Parallelen ziehen, Coppolas Film finde ich aber, weil komplexer und angenehm eigensinnig, im Vergleich gelungener als Finchers etwas zu glatt gebügeltes Hochglanzprodukt. Außerdem kam es mir schlußendlich auch ein bisschen so vor, als hätte Coppola seinen stets sehr elegant wirkenden Film mit sanften Anleihen bei David Lynch gedreht.

Auch wenn Youth without Youth ein Werk ist, über das man vielleicht sagen könnte, dass es niemand wirklich dringend gebraucht hat und außer ein bisschen Verwunderung und Erstaunen nicht allzuviel Bedeutendes über bleibt: als ehemaliger ganz Großer Hollywoods ausgerechnet mit so einer leicht angreifbaren, schrägen Arbeit nach 10 Jahren Pause zurückzukehren, hat jedenfalls definitiv etwas; dafür Chapeau, Kompliment und auch mal etwas positive Resonanz, Mr. FFC.

7. März 2010

Frost/Nixon (Ron Howard) 7,65




Morgans gewohnt ordentliches Skript rund um das legendäre Fernsehinterview, Howards routinierte („thrilling“) Inszenierung sowie das Schauspiel von Sheen und Langella ergeben in Summe ein ziemlich fesselndes Ganzes.

Teilweise ist es schon etwas pathetisch geraten und das Fiktionalisieren von und Spekulieren über „reale Geschehnisse“ mag problematisch sein (der schräge Telefonanruf und einiges am Ende ist da sicher fragwürdig oder vielleicht auch nur doof), doch alle Geschehnisse im Leben lassen ja immer auch eigene Spekulationen und Überlegungen zu und so machen es eben hier Autor und Regisseur, der Zuseher darf das dann natürlich auch wieder tun. Möglicherweise wäre eine Aufarbeitung dieses faszinierenden Vorfalls und dessen Hintergründe im Doku-Stil auch sehr interessant und noch näher am tatsächlichen Geschehen gewesen, doch Morgan schafft es, wie schon in The Deal, The Queen oder The Last King of Scotland, sehr geschickt, auf (immer natürlich spekulativ) unterhaltsame, nicht spröde Weise die Tragik und leichte Absurdität der „großen Politik(er)“ zu behandeln und dem Zuseher werden mit - oder sollte man schreiben: trotz diesem nicht allzu intensiven Psychoduell bzw. der doch ziemlich altbackenen Geschichte eines eitlen Kaspers, der dann aber etwas Bedeutendes zu Wege bringt, zwei spannende und gekonnt geschriebene, inszenierte und gespielte Stunden beschert.

Yes Man (Peyton Reed) 7,76




Man muß auch mal ‘Nein’ sagen können. Diese wichtige und sinnvolle Lebensweisheit befolgt Carl etwas zu krass, sagt er doch nach der Trennung von seiner Freundin zu allem nein, beruflich oder privat, zum Chef, zu Freunden oder zu Bedürftigen. Dies ändert sich erst, als er bei einem dubiosen Vortrag dazu verführt wird, zu allem JA zu sagen, was er dann auch konsequent, ohne Rücksicht auf Verluste in die Tat umsetzt…

Diese simple, aber für eine turbulente Komödie natürlich bestens passende Idee ermöglicht den Verantwortlichen eine Menge Blödsinn in den Film zu packen und man kann den Spaß, den Jim Carrey, Zooey Deschanel und co hier wohl hatten, auch stets spüren.

Dabei ist der Ja-Sager im Prinzip bloß eine Variation des früheren Carrey-Hits Liar Liar/Der Dummschwätzer. Eine sehr genaue Erinnerung an diesen ist leider nicht mehr vorhanden, von daher können hier jetzt keine Vergleiche dazu angestellt werden, aber Yes Man macht davon abgesehen auch für sich großen Spaß und ist eine vom Verlauf her zwar typische Mainstreamkomödie, doch die Figuren, Gags, Sprüche und Aktionen machen sie dennoch sehenswert. Nichtmal Bradley Cooper nervt hier besonders.

Viele Szenen sind hier wunderbar, etwa Allisons Bandauftritt, Carreys Red Bull-High, die persische Ehefrau oder die Nerd-Parties bei Norman, usw. usf. Einzig die Szene mit dem Suicide Attent war etwas blöd.

Reeds Film zählt für mich zu den gelungensten Komödien des letzten Jahres: dass sie relativ straight und trotz aller witzigen Einfälle im Grunde sehr konventionell ist, stört ganz und gar nicht, sondern garantiert 100 nicht allzu flache, auch nicht zu hysterisch-klamaukige, dafür souverän und angenehm dahin blödelnde Minuten.

5. März 2010

A serious man (Joel & Ethan Coen) 7,44




Es ist gewiss kein serious film, den uns die Coens hier präsentieren. Die Geschichte des jüdischen Physikprofessors, der vom Pech verfolgt, von Schicksalsschlägen geplagt ist (ja vielleicht sogar unter einem Fluch leidet, wenn man über den Prolog spekulieren möchte), haben sie als absurden Spaß angelegt. Und spaßig ist es dann auch, dennoch hat die Geschichte von Larry Gopnik eine gewisse Tragik inne, die A serious man von flachen Skurrilitäten-Komödien definitiv abhebt.

Aber, und vielleicht ist das der Grund, warum mich der Film nicht restlos überzeugt hat, das bittere Schicksal dieses eigenartigen Mannes wird von den Coens zu sehr fürs Amüsement ausgenutzt, empathisch für seinen Hauptcharakter kann man dieses Werk nicht gerade bezeichnen. Andererseits liegt es ja auch wieder sehr im Auge des Betrachters, inwiefern einem die Geschichte nahe geht oder der Typ leid tut und dafür geben die Coens wiederum genügend Raum.

Jedenfalls besitzt der etwas seltsame Film fast durchwegs eine souveräne Originalität in Optik und Erzählung und eine Qualität der Absurditäten, die ihn sehenswert und unterhaltsam machen. Dennoch bleibt ein ganz kleines, schwer zu beschreibendes, unbestimmtes Gefühl der Leere zurück und auch ist der Film nicht immer so schreiend komisch, wie er es vermutlich gerne wäre: mit den besten Coen-Werken kann A serious man meiner Ansicht nach nicht ganz mithalten.

Burma VJ (Anders Østergaard) 8,65




Der Untertitel Reporting from a closed country kündigt bereits die eminente Bedeutung der im Untergrund arbeitenden birmesischen Journalisten an, die mit versteckter Kamera die Schrecken des Militärregimes bzw. den Widerstand der Bevölkerung aufzeichnen und die Aufnahmen unter widrigen und äußerst gefährlichen Umständen der Weltöffentlichkeit zukommen lassen.

Østergaards Film bereitet anhand dieser Aufnahmen und geleitet von der Stimme eines Anführers der journalistischen Untergrundbewegung die Ereignisse rund um die großen Protestversammlungen im Spätsommer 2007 auf; er liefert bewegende und unmittelbare Einblicke in ein Land der Unterdrückung und Zensur und verdeutlicht auch, wie die modernen Technologien selbst Lebensbereiche wie den mühsamen und vielleicht aussichtslosen Kampf gegen derartige Regimes immerhin bereichern können. Doch wo der Mensch mit System und mit Gewalt unterdrückt, helfen letztendlich die modernen Medien(möglichkeiten) auch nicht allzuviel.