28. September 2011

Michael (Markus Schleinzer) 9,15




Das österreichische Feel Good Kino ist wieder um ein Highlight reicher. Nun haben wir ihn also, den ersten Film nach Fritzl zum Thema Kinderknastkeller und Pädophilie. Wobei Schleinzer glücklicherweise alles andere macht als einen Film über diesen speziellen Fall zu drehen oder gar eine ins Extrem gesteigerte Geschichte zu bebildern, im Gegenteil, sein Werk ist ausgesprochen ruhig und unspektakulär, zwischendurch aber (wenig überraschend ob der Thematik) sehr schrecklich.

Michael heißt übrigens der Erwachsene und nicht das Kind, somit ist der Film vor allem das Psychogramm des (alles andere denn als reinen Monsters dargestellten) „Täters“ - auch wenn Wolfgang, der Junge, fantastisch gespielt ist (sogar so, dass man oft Angst bekommt) und als Identifzierungsperson dient.

Schleinzer scheint perfekt in die Reihe der jüngeren österreichischen „Elendsanalytiker“ wie Seidl und Lehrmeister Haneke zu passen, von diesem scheint er auch einen manchmal unterstellten „Sadismus“ übernommen zu haben. Keine sensationalistischen, jedoch äußerst unangenehme Szenen und eine Art Quälen des Zuschauers finden immer wieder statt – am Ende, in den Minuten vor der bereits vorausahnbaren Schlusseinstellung wird dies besonders intensiv deutlich. Diese Methodik des Filmemachers regt auf, macht fertig und ist gleichzeitig furios. Bemerkenswert ist dabei der Humor im Film (oder wie auch immer man es nennen soll): unerwartet bei so einem „schweren Thema“ gibt es gleich ein paar dieser skurrilen, „typisch östereichisch-provinziellen“ Szenen; der Pädo-Biedermann in der Arbeit, in der Kantine, vor allem beim Skiurlaub, da schießt Schleinzer die Lacher in den bereits ordentlich geplagten und verstörten Zuseher hinein und macht damit etwas, das man eventuell als „meisterlich“ , vielleicht gar nur als seltsam bezeichnen könnte.

Ob diese Methoden bzw. der komplette Film nun „etwas bringen“, was den Umgang mit der grausamen Thematik in der Realität betrifft, außer vielleicht ein medial ohnehin präsentes Thema noch einmal einem Diskurs zuzuführen, ist kaum zu sagen. Dennoch ist Michael definitiv das verstörendste und beklemmendste Werk seit langem - obwohl man zu Beginn noch meinen mag, man wüsste eigentlich eh was da so alles kommen wird. Dabei geht Schleinzer extrem zurückhaltend vor, was sexuelle Handlungen an sich angeht – und dennoch sind auch die Andeutungen kaum ertragbar anzusehen bzw. traut er sich ein paar Mal dann doch sehr viel. Eher steht im Film jedoch die Beziehung zwischen Mann und Kind, zwischen Täter und Opfer im Mittelpunkt; man weiß nicht wieviel hier Spekulation und wieviel repräsentativ ist, jedoch ist diese menschliche Extremsituation, wie sie hier im Kino erlebbar gemacht wird, schon etwas Besonderes, etwas enorm Aufwühlendes.

Fuith (der sympathische Rammbock-Wiener) gibt das Halb-Monster von nebenan mit ungeahnter Qualität, er verkörpert den Biedermann mit der schrecklichen Neigung perfekt. Schleinzer versucht vielleicht, das „Monster“ als „Mensch“ zu zeigen und er zeigt die Beziehung zwischen Mann und Kind auch als etwas sehr Ambivalentes. Gegen Ende nimmt die Dynamik einen vielleicht auch eher unerwarteten Lauf an – ein Film, der sich tiefer einprägt als jede Fritzl oder Dutroux Meldung. Wieviel das dem jeweiligen Filmfreund „wert“ ist, bleibt höchst subjektiv, festzuhalten ist in jedem Fall, dass Michael trotz bekannter Stilmittel (wie stiller bis ruhiger Kamera und einer bekannt „strengen Inszenierung“) ein herausragendes Werk ist.

23. September 2011

Leonera (Pablo Trapero) 8,03




Traperos Folgefilm zu Nacido y criado weist zu jenem sowohl Parallelen als auch Unterschiede auf. Wieder ist es die Studie eines Menschen, der aus seinem Leben gerissen wird, der danach zunächst einmal ganz alleine mit seinem Schmerz ist, und wieder ist es ein rauher, bisweilen sehr harter Film, der seine Hauptfigur jedoch nicht unter- bzw. eingehen lässt.

Diesmal steht eine junge Frau im Mittelpunkt, doch anders als im vorigen Film ist das "Leben vor dem großen Einschnitt" hier nicht zu sehen, der Auftakt ist gleich der große Knall. Die junge Frau muß ins Gefängnis bzw. in den Löwenkäfig ("Leonera" kann man anscheinend so oder so übersetzen).

Es gibt nun einige Unterschiede in Traperos stilistischer und formaler Herangehensweise. Hier ist alles deutlich nach "größerem Kino" ausgerichtet als im vorangegangenen Werk. Die Kamera liefert "schöne", kunstvoll ausgeleuchtete Bilder aus dem Knast, der Film ordnet sich hier auch deutlich in ein Genre ein, bewahrt sich aber neben der Möglichkeit zu kleinen Brüchen und Verspieltem auch stets seinen eigenen Ton, der vor allem schon dadurch entsteht, dass dies ein Gefängnis für Mütter und ihre Kinder, also ein spezielles Subsystem im System "Filmgefängnis", ist.

Ähnlich wie bei Un prophète werden wir von Beginn an die Hauptfigur gekettet, wir sind immer ganz nah dran und wissen nicht einmal ob sie schuldig oder unschuldig ist. Diese Frage wird aber ohnehin nicht die wichtigste im Film sein. Viel eher geht es darum ob und wie Julia es schafft, mit ihrem Schicksal - und ihrem zu Beginn noch ungeborenen Kind - klarzukommen. Trapero zeichnet dabei ein sehr ambivalentes Bild dieser Frau, die z.B. zunächst noch (eindringlich!) auf die ungeborene Frucht einprügelt und später verzweifelt versucht, ein enges Verhältnis zu ihrem Sohn aufzubauen.

Der Film ist vielschichtiger und ambitionierter als der sich zum Vergleich anbietende Vorgänger, dabei wirkt nicht alles immer stimmig, für dichte Spannung ist aber, auch dank des hervorragenden Spiels von Martina Gusman, immer gesorgt. Am Ende zwingt einen Julia noch einmal einen Schritt mitzugehen, bei dem man sie am liebsten zurückpfeifen würde, doch so blöde die Aktion in der tiefen Verzweiflung zunächst wirkt, so sehr gönnt der Regisseur seiner Hauptfigur mit einem meisterhaften, halb offenen Ende eine Art selbst erkämpfte Erlösung.

22. September 2011

Poussières d'Amérique (Arnaud des Pallières) 7,83




Meditativer, nachdenklicher Essay: die anstrengende, langsame Form (Satzteil – Bild – Satzteil – Bild) scheint zunächst nicht einzuladen, diesen Film anzunehmen, doch man kann schnell spüren, dass der Filmemacher mit Stil etwas transportieren vermag; möglicherweise weniger durch seine Texte, aber vor allem durch die vielen Archivbilder, die zum Träumen, Mitschauen und Nachdenken einladen.

Seine sentimental gefärbten persönlichen Texte verleihen dem Werk zumindest einen sehr persönlichen (teils enorm intimen, was immer man auch davon halten mag) Anstrich; auf künstlerischer Seite ist auch die Tonkulisse erwähnenswert: meist ist da „einfach“ klassische Musik, aber in manchen „Episoden“ gruselig unterlegte oder nicht unterlegte, aber noch viel beunruhigend eingesetzte Hintergrundgeräusche von Kindern, Hunden, rufenden Menschen etc…

Ein ziemlich massenuntauglicher Film, den man vielleicht gar nicht 97 Minuten am Stück sehen möchte oder kann und der es dennoch wert ist, sich in ihm, oder zumindest in Fragmenten von ihm zu verlieren. Weil es nicht nur um die Geschichte (bzw. den Staub) Amerikas, sondern um unser aller Leben geht – irgendwie…

20. September 2011

Tournée (Mathieu Amalric) 8,25




Ein verspieltes Erotikshow-Roadmovie: Regie-Debütant Amalric könnte sich dieses „freie“ Filmemachen von seinem Stammregisseur Arnaud Desplechin (vor allem vom letzten gemeinsamen Coup, dem bis jetzt völlig untergegangenen Un conte de noel) abgeschaut haben, ist aber stilistisch bei weitem nicht so experimentierwütig. Doch auch er hat einen Film gedreht, der keinen handelsüblichen Strukturen folgt, sondern jederzeit überallhin kippen kann; eine Flachserei kann zum Drama werden oder eine harmlos-skurrile Szene sich sekundenschnell in einen Eklat verwandeln. Mit dieser wundervollen, (schein-interpretativen?) Herangehensweise und vor allem auch mit seinem liebevoll-natürlichen Blick auf seine Darstellerinnen (und deren Körper und noch wichtiger deren Macken und Krisen) serviert uns Amalric eine großartige, fiebrige Show – und erfreulicherweise den komplexen Backstage-Blick gleich mit. Der Regisseur spielt dabei einen abgewrackten Provinztingler als halb tragische und halb (größere Hälfte) komisch-coole Figur. Ein in jeder Hinsicht „pralles“ Werk mit liebenswürdig schrägen Vögeln und eine Wundertüte voller erinnerungswürdiger Szenen.

18. September 2011

Interludium - Cavalier, Hamburg, Hellman

Le plein de super (1976) 8,28

Anarchisches Männer-Roadmovie mit Typen und Elementen, die heutzutage als politisch völlig unkorrekt gelten würden, in die (französischen Film-)70er aber perfekt passen: Wie aus Bedrohlichkeit und Antipathie sehr unkonventionell Freundschaft wird, wie sich der Film fließend und sehr ungekünstelt zwischen infantiler, schreiender und anzüglicher Komik sowie düsteren und ernsten Tönen bewegt, wie die 4 Männer auf sehr viel scheißen und dahin treiben, das beeindruckt. Super voll: Ein genial wildes, sehr eigenes Abenteuer.



I love you, Man (2009) 8,54

Beim zweiten Ansehen dieses so nett in Erinnerung gebliebenen Spaßes (dt.: Trauzeuge gesucht) schraubt man die Wertung mit gutem Gewissen höher. Eine geniale Komödie, bei der einfach alles stimmt: die Idee eine typische Rom Com über eine Männerfreundschaft zu drehen, die köstlichen Nebenfiguren, die Bandbreite des Humors (ja, auch eine umwerfende Kotzszene kommt vor!) und natürlich vor allem das kongeniale Gespann - sensibler Biedermann (Rudd) und schräger Lebenskünstler (Segel). Einem Film, der durchgehend so sympathisch und witzig ist, muß man sagen: I love you!



Ride in the Whirlwind (1965) 7,30

Der von Jack Nicholson geschriebene Western bezieht seinen Reiz zum einen aus der Reduziertheit (viel Schießereien, wenig Dialoge) und zum anderen daraus, dass harmlose Cowboys durch Zufall plötzlich für gefährlich gehalten, beinhart verfolgt und gehängt werden sollen: existenzielle Tragik mit einem bösen ironischen Augenzwinkern. Die etwas plätschernde erste Hälfte wird gegen Ende doch von wesentlich intensiverer Stimmung abgelöst; diese Zusammenarbeit eines teils sehr verehrten Filmemachers und einer späteren Legende (New) Hollywoods ist keine Großtat, aber ein schnörkelloser Western mit guter Idee.

16. September 2011

Rise of the Planet of the Apes (Rupert Wyatt) 8,60




Ein affengeiler Film, der mehrheitlich ohne Dialoge, mit Menschen als bloßen Nebendarstellern eine packende, dynamische (R-)evolutions-Geschichte erzählt. Der noch eher unbekannte Rupert Wyatt hatte mit The Escapist schon Talent gezeigt und sorgt nun mit überraschend viel Gespür und tollem Regie-Flow für einen äußerst coolen (Rand-?)Mainstreamer.

Der Film hat definitiv Schwächen (die andere Kritiker/Rezipienten/Fans teilweise auch stärker gewichten): man könnte sagen, die Menschen sind (außer Franco) hohl gezeichnete Klischeefiguren, John Lithgows Darstellung eines Alzheimerkranken wirkt sogar eher peinlich denn berührend, und auch der böse „Tierpfleger“ ist an der Grenze zur Lächerlichkeit. Auch sind die abenteuerliche Science-Basis der Geschichte und der Ausblick auf die eigentliche „Affen“-Saga eher vernachlässigbar.

Doch das ist alles egal und kann dem herrlichen Kern dieses umwerfenden Werks nichts anhaben, weil der Film auch für sich genommen bestens funktioniert, weil die Inszenierung der langsam aufgebauten, aber immer mehr mitreißenden Revolution der Unterdrückten vegetativ einschlägt, weil die (ziemlich stark animierten) Affen so umwerfend sind und sich so genial benehmen wie es eben nur Affen können. All you need for a film is apes and revolution.

It’s time to rise!

13. September 2011

Nacido y criado (Pablo Trapero) 7,85




Nüchtern ist der Titel (in etwa "geboren und aufgezogen"), unaufgeregt und ruhig die Inszenierung dieses Dramas um die zunächst schön anlaufende, dann tragische Geschichte eines jungen Vaters, der wegen einer dummen Aufmerksamkeit im Auto mit Frau und Tochter einen schweren Unfall baut.

Nach einem radikalen (Story-)Schnitt sehen wir ihn, alleine, in einer abgelegenen Einöde; die Träume von einem eigenen gemeinsamen Hotel mit der Frau sind vergangen, jetzt arbeitet er an einem trostlosen, meist geschlossenen Flughafen und ist, wenn auch für Außenstehende kaum merklich, schwer traumatisiert vom Verlust seiner geliebten Familie.

Es ist ein ungewöhnlich ruhiger, aber durchaus rauher Männerfilm, der sich viel Zeit lässt um seine Hauptfigur das schreckliche Erlebnis verarbeiten zu lassen: definitiv ein mühsamer, trister Weg dies durch Alkoholexzesse und verzweifelten Sex zu versuchen. Männliche Einsamkeit sowie Freundschaft sind weitere Motive. Man muß sich natürlich einlassen, den armen Hund auf diesem Weg – in beschleunigter Spielfilmfassung – zu begleiten; entlohnt wird man mit einem, trotz bitterer Thematik, schönen „kleinen“ Film und einem erstaunlichen Ende.

12. September 2011

No One knows about Persian Cats (Bahman Ghobadi) 8,05




Gewitzter, subversiver Streifzug durch den musikalischen „Underground“ des Iran: Zwei Musiker wollen eine Band gründen und dann ins Ausland gehen, auf der Suche nach Gleichgesinnten klappern sie etliche Bands sämtlicher Musikstile ab, die Ghobadi immer spielen lässt und - musikvideo-artig, rasend - Bilder aus dem Alltag des Iran dazu montiert. Der Film hat eine positive, revolutionäre Grundstimmung, die nach einer Weile zum Mitschwingen einlädt. Ghobadi, ein außergewöhnlicher Filmemacher solch großartiger Werke wie Die Zeit der trunkenen Pferde und Schildkröten können fliegen, gibt natürlich auch den tristen Seiten der (lokalen) Welt einen Platz (und singt auch, wie man erst im Abspann realisiert, selbst im Film, richtig rauh und melancholisch).

Etwas schade sind die finalen Minuten, in denen plötzlich handlungslastige Tragik eher aufgesetzt wirkt und das flotte Feeling des Films durch langsames Tempo ersetzt wird: nicht ganz gelungen und nicht ganz zum Rest passend dieses Ende. Dennoch ist dies einer der besten Musikfilme, die man sich vorstellen kann, wegen seines frechen politischen Grundtons und weil er die Bandbreite toller Musik, von Akustikballaden zu Metal, von Rap zu folkloristischer Musik, vom Blues zum Indie Rock vermittelt; ideal für einen entspannten Abend, bei dem man zusätzlich ein vielleicht noch ungekanntes Gefühl für ein arabisches Land und Leute bekommt.

11. September 2011

Midnight in Paris (Woody Allen) 5,40




Aus der sehr charmanten Idee eines geplagten Schriftstellers, der in Pariser Nächten auf Literatur- und Kunstgenies der Vergangenheit trifft, macht Woody Allen im Detail leider eher wenig. Der Witz der Gegenwartshandlung um Frau, Schwiegereltern und Nebenbuhler fällt auch flach oder zu bekannt aus, gerade im Vergleich zu den vielen besseren Werken des alten Helden des Neurotikerwitzes. Ob die Darstellung der zahlreich auftretenden Promis wie Fitzgerald, Hemingway oder Dali gut gelungen/parodistisch ist oder nicht, mag ich nicht beurteilen, jedoch bleibt eher der Eindruck eines flachen Schaulaufens.

Besonders witzig ist das alles nicht, durchaus aber romantisch in jedem Sinne. Owen Wilsons Flanieren durch die nächtlichen Straßen, sein Eintauchen in eine besondere Welt, das macht Laune und man kann sehr beschwingt aus dem Film gehen, obwohl er eigentlich ziemlich mittelmäßig ist. Am Ende ist immerhin die Idee mit dem weiteren Zeitsprung witzig.

10. September 2011

Die Liebe der Kinder (Franz Müller) 7,43




Ein Beziehungsfilm, der bzw. dessen Liebespaar sich besonders unkonventionell gibt. Was der fast schon avantgardistisch abgehackte Stil alleine jedoch nicht schafft, vermag die zweite Ebene an Profil einzubringen: Als sich die Kinder der Verliebten auch noch verlieben, gerät die Welt der zuvor so „coolen“, alles andere als biederen oder verklemmten Eltern aus den Fugen…

Die wesentlich bodenständigeren Erziehungsfragen und zu bearbeitenden Eltern-Kind Beziehungen, die sich daraus ergeben, sind das Spannendste am Film; wie Müller die eigentliche Beziehung der Erwachsenen inszeniert, ist schon auch sehenswert und manchmal sehr intensiv, doch es bleibt neben allem, in dem der Film schon toll ist, halt auch ein wenig das Gefühl von Künstlichkeit und allzugroßem Bemühen, besonders ausgefallen zu sein.

6. September 2011

Cars 2 (John Lasseter & Brad Lewis) 7,44




Nach den coolen Käfern, Monstern und Unterwasserwesen schienen sprechende Autos von Pixar vor ein paar Jahren eher blöd denn cool zu sein und der erste "Cars"-Teil besaß vor allem auch bei weitem nicht die Originalität und den Irrwitz seiner Firmenkollegen. Dennoch war der Film aller Skepsis zum Trotz charmant und auf simpel-gutmütige Art gelungen. (Die detailverliebten, immer sympathischen Pixar-Produktionen sind Konkurrenten a la Rio ohnehin fast immer überlegen.)

Der zweite Teil beginnt wie James Bond mit Autos: man hat sich bereits an das „everything goes“ gewöhnt und kann fortan den ulkigen Nonsens genießen. Dass das eher amerikanisch-Provinzielle mit der weiten Welt und den übrigens atemberaubend und Kieferschluß-verunmöglichend animierten Schauplätzen in Japan und Italien (sowie einer kurzen, ganz netten Klischeeparade in Paris) ersetzt wurde, lässt den Film nochmal unterhaltsamer und ansprechender werden.

Leider wohnen dem Auto-Rennen-Geblödel (das sich natürlich nicht annähernd auf wahnwitzigem Ricky Bobby-Niveau befindet) teilweise auch schrecklich abgestandene Klischees und allzu dümmlicher Humor inne, doch andererseits entschädigen die Rasanz (und Spannung) der Rennen sowie der parallel montierten Spionagestory dafür deutlich – Cars 2 ist sicher nicht der faszinierendste Pixar-Output, macht aber eine Menge Spaß und sollte mit Einschränkungen für alle Fans von turbulent-kindgerechter, aufwändig animierter Action-Komik sehr sehenswert sein.

4. September 2011

The Man from London (Béla Tarr) 6,71




Ein richtig sperriger Film des Königs der Ultra-Langsamkeit, der elend langen Kamerafahrten: dieser sehr spezielle Stil machte schon den faszinierenden Vorgänger Werckmeister Harmoniak anstrengend, an den über 7-stündigen Satantango mag man gar nicht denken. Auf Plotebene scheint dieser Film (ein Krimi nach Georges Simenon) eher simpel gehalten und damit in Kombination mit der quälenden Langsamkeit schon früh zu verlieren – im Kino würde man so etwas vielleicht kaum ertragen. Doch zuhause vor dem Fernsehgerät (in diesem Fall unter Begehung einer cineastischen Todsünde namens leichtem Vorlauf und Einlegen von Pausen) kann der Film nach einiger Zeit doch noch erfreuen; während Tarrs ständige Spiele mit Licht und Schatten des in sehr elegantem Schwarz-Weiß gedrehten Werks ohnehin faszinieren, kommt mit Fortdauer tatsächlich noch Schwung (naja, so etwas wie S..c..h..w..u..n………g) hinein; initiiert vielleicht von einer unerwarteten Tanzszene wird man aus der Apathie geweckt und weiter "gefesselt" durch die hypnotische Wirkung des Filmens schrulliger Gesichter, die (während getragener Dialoge und dazwischen) leiden und ihr Leid reflektieren, ist dem Werk noch Einiges abzugewinnen, auch wenn man den Plot vielleicht aufgrund vorhergehender Zuseh-Qualen schon gar nicht mehr zur Gänze fassen kann. Schlußendlich schaut man diese mehrsprachige Ultrazeitlupenkunst doch noch zu Ende und da offenbaren sich immer mehr die Qualitäten in Tarrs originell-tiefschürfender Inszenierung eines „gewöhnlichen Krimis“: die existenzielle Tragik der Figuren bleibt haften und beeindruckt.

3. September 2011

Interludium - Crichton, Mulcahy, E.Roth

Westworld (1973) 8,45

Kultige Sci-Fi Satire auf Menschen, die im Urlaub ihre Fantasien ausleben und dabei Roboter ausbeuten dürfen. Die sich schönerweise irgendwann rächen und richtiggehend Amok laufen. Der Film ist nicht besonders dicht, eher locker unterhaltsam. Extrem interessant sind aber Yul Brunner bzw. diverse Vernichtungsszenen am Ende als offensichtliches Terminator-Vorbild!


Highlander (1986) 7,88

Grenzgeniales Trashvergnügen - lag vielleicht zu mehr als 50% an der deutschen Synchronisation, vor allem des ständig schrecklich grunzenden(?) Bösewichts. Doch auch die Blicke und Gesten von Lambert in den Highland-Szenen sind göttlich. Inszeniert ist der Film ziemlich cool, die Kamera wie auf Drogen - Mulcahy enorm ambitioniert, extravagant zu sein. Die Mischung aus epischen Kampfszenen, Terminator-Kopie-Anteilen und herrlich naiven (Story-)Elementen sorgt für mächtigen Spaß.


Hostel 2 (2007) 5,31

Im Prinzip der erste Film noch einmal mit ein paar guten Ideen, die Roth sozusagen zu spät gekommen sein dürften. Es bereichert das kleine Hostel-Universum zwar (satirisch), dass der Fokus mehr auf die Kunden gelegt wird, und auch die schaurigste/ansprechendste Szene des Films mit der Blutbadewanne (sowie vielleicht noch die klamaukigste mit der Kastration) sind sehenswert, doch sie rechtfertigen ein sonstiges schlichtes Aufwärmen und zunehmend langweilendes Wiederholen des ersten Teils halt kaum.

2. September 2011

Unten Mitte Kinn (Nicolas Wackerbarth) 6,93



Wenn man so wie ich diese typische Theater-Atmosphäre, dieses Gehabe kaum ausstehen kann, dann scheint dieser Film zunächst auch nichts zu sein. Die Akteure präsentieren sich anfangs noch extra unsympathisch und nervig. Doch Wackerbarths Film erreicht irgendwann diese Schwelle, an der man dann vielleicht doch nicht abdrehen mag: er entwickelt einen Sog. Das Ebenenspiel mit einem dokumentarisch wirkenden Film über Schauspieler, die immer wieder Szenen proben und bei denen es vielleicht auch dazwischen darum geht, anderen etwas vorzuspielen, ist sehr geschickt angelegt. In den besten Momenten (die sich mit Verlauf immer mehr häufen) ist eine angespannte Stimmung spürbar, fast so als ob man sich in einer Art Horrorfilm befände, in dem jederzeit etwas Grausames passieren könnte (vielleicht könnte man bezüglich Look und Stimmung sogar eine ferne Verwandtschaft zu Black Swan attestieren, natürlich ohne jegliche Fantasyelemente).

Selbst wenn einem diese Theater(stadl)welt an sich also eher fremd ist und das Getue peinlich anmutet, fesseln die Figuren und ihr Schicksal, man erkennt die Qualität, die Wackerbarth subtil in diesen oberflächlich total glanzlosen, aber gerissenen Film einflicht. Das Ende ist überraschend, witzig, frech und unverschämt offen. Abgangsapplaus nach anfänglicher Skepsis!