10. September 2013

Leviathan (Véréna Paravel & Lucien Castaing-Taylor) 9,4




Wahnsinn. Irre. Dynamisch. Archaisch. Kunstvoll. Genial. Endlich wieder mal ein Film, den man so noch nie gesehen hat. Die aufgequollenen Fischleichen, die mit der Kamera hin und her schwanken, gehören jetzt schon zu den verstörendsten und faszinierendsten Kinomomenten des 21. Jahrhunderts. Dazu diese Schlächter, die die Rochen auseinandernehmen, die Eingeweide, die Augen: "Leviathan" ist ein Horrorfilm. Auch.

Denn da gibt es auch noch diese Poesie, diese Farben, diese unmögliche, entfesselte Kamera, und die Möwen. Die paar Szenen mit den Menschen gegen Ende hat es vermutlich/hätte es nicht gebraucht - grundsätzlich ja okay, aber leider nehmen sie diesem Ungetüm von Film zum Schluss hin doch einiges an Intensität und hypnotischer Kraft. Reicht aber immer noch zur besten und zur überwältigendsten, mit Abstand außergewöhnlichsten Kinoerfahrung des (letzten) Jahres.

2. September 2013

Rückblick: Venedig 2003




Nach der Analyse des Cannes Jargangs 2003 bieten diesmal die 70. Filmfestspiele von Venedig den Anlaß sich anzusehen, wie denn die Wettbewerbsfilme von vor 10 Jahren im deutsch- und englischsprachigen Raum vermarktet wurden.

Zur Qualität dieses Wettbewerbs kann ich keine besonderen Aussagen tätigen, aber man scheint im Vergleich mit Cannes 2003 schon deutlich zu spüren, dass in Venedig weniger Prestigereiches lief...(ich meine, dass sich das in den letzten Jahren etwas geändert hat, aber vielleicht liegt es auch nur daran, dass ich das Festivalgeschehen mittlerweile deutlich mehr verfolge als früher)

Von 20 Wettbewerbsfilmen waren jedenfalls in Österreich nur vier im Kino zu sehen (und die vermutlich auch eher nur in Wien bzw. im Programmkinobetrieb).
Vier weiteren wurden immerhin eine DVD Veröffentlichung spendiert.
Mehr als die Hälfte allerdings wurde im deutschsprachigen Raum nicht vermarktet – egal wie mager diese Filme auch theoretisch sein mögen, ist das wieder einmal als Armutszeugnis einer Filmkultur zu lesen.

In England und vor allem den USA sieht es wie immer viel besser aus: sieben weitere Wettbewerbsfilme kann man sich (von) dort auch für zu Hause zulegen.

Fünf Filme schafften es nicht "über die Grenze" und liegen, soweit ich es recherchieren konnte, nur im eigenen Land vor.
Drei Filme, bezeichnenderweise zwei davon aus Frankreich, sind nicht mit englischen Untertiteln verfügbar. Möchte man alle Wettbewerbsfilme von damals sehen, bleibt einem also anscheinend nur, französisch und italienisch zu sprechen bzw. zu lernen.

Ob einige dieser Filme abseits einer Festival-Premiere zu wenig zu bieten haben, oder aber ob "der Markt" für möglicherweise "sperrige Kunstfilme" keinen Platz bietet, sei dahingestellt. Ich jedenfalls wäre sehr neugierig auf die betroffenen Werke von Jacques Doillon, Noémie Lvovsky und Edoardo Winspeare...


Hier die 20 Filme im Überblick:


Kinoauswertung Österreich

  • 21 Grams (Alejandro Gonzaléz Innaritu)
  • Buongiorno, notte (Marco Bellochio)
  • Rosenstraße (Margarethe von Trotta)
  • Zatoichi (Takeshi Kitano)


DVD-Auswertung deutschsprachig

  • Twentynine Palms (Bruno Dumont)
  • Code 46 (Michael Winterbottom)
  • Imagining Argentina (Christopher Hampton) "Verschleppt"
  • "The Return – Die Rückkehr" (Andrej Swjaginzew)


DVD-Auswertung englischsprachig

  • Alila (Amos Gitai)
  • "Goodbye, Dragon Inn" (Tsai Ming-Liang)
  • Le Cerf-volant - "The Kite" (Randa Chahal Sabag)
  • Um filme falado - "a talking picture" (Manoel de Oliveira)
  • "The floating landscape" (Lai Miu-Suet)
  • Pornografia (Jan Jakub Kolski)
  • "Loving Glances" (Srdjan Karanovic)


DVD nur im Heimatland erhältlich, aber mit englischen UT

  • Baramnan gajok (Im Sang-Soo) (2008 auch auf arte gesendet)
  • Segreto di stato (Paolo Benvenuti)


DVD nur im Heimatland, ohne englische UT

  • Raja (Jacques Doillon)
  • Les Sentiments (Noémie Lvovsky)
  • Il miracolo (Edoardo Winspeare) – diesen Film gibt es aber immerhin mittlerweile in einer DVD Box zum italienischen Kino 2004-2011 (8 Jahre nach Venedig 03!) mit englischen Untertiteln.


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Persönliches Fazit:

Nur vier Filme aus diesem Venedig Jahrgang scheinen mir großartig bzw. auch im kollektiven (cinephilen) Gedächtnis gespeichert: 21 Grams und der "Gewinner" The Return sind kraftvolle, visionäre Werke, Twentynine Palms auch (sicher sehr umstrittenes, aber) eindrucksvolles Kino. Und Goodbye, Dragon Inn von Tsai Ming-Liang hat sich ja im letzten Jahrzehnt einen enormen Kultstatus erarbeitet. Muß ich endlich mal sehen.

"Zatoichi" war sehr nett, "Um filme falado" ebenso, wenn auch etwas zäh.



Zu den anderen 14 Filmen kann ich nichts sagen...Bellochio und Winterbottom interessieren mich am meisten...vielleicht kann ja eine/r der LeserInnen und auf diesen Eintrag Stoßenden etwas ergänzen?