28. April 2010

Jagdzeit (Angela Graas) 8,08




Das Filmteam begleitet eine Gruppe von Greenpeace-Aktivisten auf ihrer Fahrt mit der "Esperanza" - Ziel ist es, eine japanische Walfang- (bzw. "Forschungs-) flotte aufzuspüren und dann zu behindern...

Graas interessiert sich in ihrem Film neben ein paar schönen Landschaftsaufnahmen vor allem für eine Sammlung einzelner Eindrücke des Lebens an Bord: das Bangen, die Langeweile, man könnte es auch als Trostlosigkeit bezeichnen. Bis die Idealisten, die auch immer wieder zu Wort kommen, einmal das betroffene Gebiet erreicht haben, vergehen mühsame, manchmal auch von Seekrankheit geprägte, wenig aufregende Wochen.

Dann endlich ein Hoffnungsschimmer, man hat die illegal tätigen Japaner mit etwas Glück gefunden. Doch was können die Greenpeaceler wirklich dagegen ausrichten? Der Film ist ein gelungener Bericht einer außergewöhnlichen Reise einer sehr speziellen Menschengruppe, zeigt aber auch ein ziemlich ernüchterndes Bild vom Aktivismus und seinen begrenzten Möglichkeiten.

23. April 2010

Akumu Tantei 2 (Shinya Tsukamoto) 8,84




Es ist durchaus überraschend: War der Vorgänger, eine relativ(!) straighte Genre-Auftragsarbeit des großartigen Tsukamoto, die meiste Zeit enttäuschend und bis auf ein irres Finale trotz viel Knalligem ziemlich öde, ist Nightmare Detective 2 (der auch eigenständig sehr gut funktioniert) absolut empfehlenswert und hervorragend geworden, gerade weil er sich in fast allen Aspekten deutlich von Teil 1 unterscheidet. In jenem gab den Ton noch eine um zwar abgedrehte Aspekte erweiterte, im Grunde aber gängige Thrillerhandlung um die Polizei an, die einen durch Träume tötenden Killer jagte und sich dazu Unterstützung vom titelgebenden Alptraumdetektiv holte; einem jungen Mann, der in die Träume anderer eindringen und vermittelnd, wenn man so will, eingreifen kann, sich dabei aber selbst psychisch völlig zerrüttet.

In diesem zweiten Teil gibt es nun keine Polizei mehr, es gibt zu 99% nichtmal eine rational fassbare oder funktionierende Welt abseits der unheimlichen Träume, sondern fast alles spielt sich nur auf einer Alptraumebene, im Unterbewussten ab und selbst wenn die Charaktere wach sind, wähnt man sie in schrecklicher Umnachtung gefangen.

Traumabewältigung a la Tsukamoto – auf stilistischer Ebene sind das wie gewohnt irre wackelige und sich ineinander verschiebende Bilder, extreme Sogwirkung, die meiste Zeit einfach magisches Kino; inhaltlich behandelt der Film die Aufarbeitung von Kindheitstraumata, hier als Erzeuger tief sitzender, alles durchdringender und den Film dominierenden Angstgefühle.

Nightmare Detective 2 zählt, was noch nicht so schwierig scheint, vermutlich zu den besten Alptraumfilmen aller Zeiten, er ist viel mehr als üblicher Horror- oder Grusel, wobei er jedoch auch dahingehend sehr aufregend geraten ist. Was Tsukamotos Werk aber – wie so oft bei ihm – so außergewöhnlich (gut) macht, ist neben seiner halluzinierenden, selbst (gegenüber seinen extremsten Extremitäten wie etwa Tetsuo) bei angezogener Handbremse so wahnwitzigen Inszenierungskunst die tiefliegende, kompromisslose, aber auch sehr gefühlvolle, oft richtiggehend zärtliche Beschäftigung mit seinen traumatisierten Charakteren, die viel Leid durchleben müssen, bevor eine Erlösung in den Bereich des Möglichen gerät, wenn überhaupt.

Garantie gibt es dafür nämlich niemals, auch das macht Tsukamoto in diesem zum Glück im Unterschied zum öden, deutlich unpersönlicher und ziemlich seelenlos wirkenden ersten ND wieder viel intensiveren und vor allem intimeren Film klar: manche Seelenwunden sind zu tief eingebrannt, um außerhalb schlimmer Träume verarbeitet werden zu können. Diese Träume können irgendwann verschwinden, aber der Schmerz dennoch für immer bleiben – genauso wie die Erinnerung an diesen außergewöhnlichen Film mit seinem beeindruckend unspektakulären , traurig-intimen Ende.

Shinya Tsukamoto ist wieder ganz zurück auf seiner einzigartigen Spur – wahrlich ein traumhafter Alptraumfilmer.

22. April 2010

Shanghai Fiction (Julia Albrecht/Busso von Müller) 8,25




Vier Menschen in dieser Megastadt, vier völlig unterschiedliche Lebenshintergründe und (Arbeits-)Situationen porträtieren die Filmemacher in ihrem engagierten und sich erfreulicherweise richtig viel Zeit nehmenden Werk.

Die Personen - der zentrale Charakter ist der an der Armutsgrenze lebende junge Arbeiter Yuan - erzählen aus ihrem Leben, werden mit der Kamera begleitet und dabei befragt, ansonsten wird „von außen“ nichts erklärt, o.dgl. Das gibt diesem Film trotz seiner Länge auch einen fesselnden Charakter (etwas, das übrigens dem sonst so verlässlichen Jia Zhang-Ke in seinem aktuellen, eher artifiziell orientierten, recht mühsam-trockenen China-Arbeiter-Porträt 24 City leider kaum gelang).

In Shanghai Fiction jedoch werden die Menschen und ihre Situation richtig plastisch, man mutiert für mehr als zwei Stunden zum mitfühlenden Beobachter und erfährt, mehr über Emotionen und Alltagsgeschehnisse als über trockene Vermittlung von Fakten, so Einiges von diesem fremden Land, seiner Kultur und Politgeschichte und vor allem der spezifischen Lebensrealität von Yuan und co.

21. April 2010

Tulpan (Sergey Dvortsevoy) 8,27




Die kasachische Steppe, zwei junge Männer und Boney M. – ein kurioser Auftakt eines gewitzten, manchmal witzigen, oft durch seine beiläufig gefilmt anmutenden Natur- und Tier-Elemente, aber auch durch seine sympathische Natürlichkeit beeindruckenden Films über romantische Lebensträume und schnöde Alltagsrealität.

Dvortsevoy fängt auf halbdokumentarische Weise immer wieder tolle Augenblicke ein, sei es eine vorüberziehende Windhose oder dramatische Mund-zu-Mund Beatmungen zwischen Mensch und Tier…auch die für Steppenfilme möglicherweise schon obligatorische Tiergeburt darf hier nicht fehlen, ist aber schon ziemlich speziell ausgefallen. Und die Szene mit dem Kamelbaby und dem Roten Kreuz der Wüste ist ein echter Lacher.

Die (rudimentär bleibende) Geschichte um die begehrte Dame Tulpan selbst ergänzt sich mit diesen sehenswerten Alltagsbeobachtungen und -beschreibungen von einem einsamen, aber ganz und gar nicht ruhigen Ende der Welt zu einem schön positiven, eigenwilligen Außenseiterfilm, der ganz unaufdringlich seine liebenswerte Botschaft vermittlelt.

20. April 2010

Kansen (Masayuki Ochiai) 7,36




Man wird von Anfang an in eine surreal anmutende, unterschwellig unheimliche Welt hineingeworfen, ohne einen echten Durchblick zu haben, was hier passiert. Sehr kühle Bilder unterstützen die sterile Krankenhausatmosphäre, die Personen verhalten sich eigenartig, irgendetwas stimmt hier nicht, usw…

Infection gestaltet sich trotz solcher bekannt anmutenden Grundelemente als sehr eigen und angenehm anders inszeniert, besonders positiv empfand ich das Fehlen graphischer Ekelszenen oder das bewusste Aussparen anderer typischer, längst abgenutzter "Horrorfilm“aspekte über lange Zeit. Wenn später, ja doch fast unvermeidbar, das Subtile dem Vordergründigen (Grauen bzw. Effekt) weicht, kann man fast enttäuscht sein. Muß man aber doch wieder nicht, denn der Film bewahrt bis zum Schluß seinen eigenen, leicht verstörenden, aber natürlich auch Spaß bereitenden Ton. Am Ende gestaltet sich das Spiel mit den Erzähl- oder Wahrnehmungsebenen etwas seltsam, Kansen verliert vielleicht ein wenig an Kraft oder Bedeutung, dennoch ist dies ein sehenswerter und eher ungewöhnlich inszenierter Psycho(light)sicko.

19. April 2010

Eagle vs Shark (Taika Waititi) 5,57



Eine Liebeskomödie um zwei ausgesprochen sonderbare Außenseiter, deren Nerdismen am laufenden Band mich wenig erreicht haben, genauso wenig wie der sehr spezielle (versuchte) Humor. Immerhin ist das Ganze im Kern recht romantisch und nicht unsympathisch, wobei mir leider Sharks (f) Faszination für Eagle (m) sehr sehr rätselhaft war: die ziemlich doofe, kaum liebenswerte männliche Hauptrolle, auch ein Grund, warum ich mit dem Film nie warm wurde.

Einfach nur Typen und Verhaltensweisen, so verrückt wie es nur geht, ins Bild zu setzen, ist halt auch ein bisschen wenig und macht noch keinen gelungenen Film aus. Vielleicht ist es auch der absolute Overkill an Schrägheiten und Sonderlichem (aus denen kaum Ideen wirklich herausragen, eher ergibt sich ein riesiger, diffuser Klumpen an Mittelmäßigem), an dem die neuseeländische Nerdromanze etwas leidet.

16. April 2010

Choke (Clark Gregg) 7,33




Die Verfilmung des hierzulande als Der Simulant erschienenen, netten, aber keinesfalls überragenden Palahniuk Romans bleibt sehr nahe an der Vorlage. Dies ist lobenswert, andererseits wirkt die filmische Umsetzung dadurch aber auch etwas unwichtig.

Spaß (im abgefuckten Sinne) macht das unaufgeregt und lässig inszenierte und gespielte Filmchen dennoch, vor allem wegen Sam Rockwells Verkörperung des zynischen und trostlosen Sexsüchtlers Victor Mancini, der ordentlich unter der Beziehung zu seiner Mutter leidet. Dass er sie ständig im Altenheim besucht, ihr aber vorgaukelt, jemand anderer zu sein und stattdessen einen Freund seine Rolle übernehmen lässt, ist sicher der beste von den die Selbstgeißelung seines Helden beschreibenden Kniffe in Palahniuks Werk respektive Greggs Umsetzung (vergleichbar auch in gewisser Weise mit den absurden Identitätenspielen eines Bret Easton Ellis). Der Regisseur spielt übrigens auch selbst eine ziemlich humorvolle und zugleich äußerst traurige Rolle.

Ich meine mich noch zu erinnern, dass einzig Danny im Buch etwas anders beschrieben war und sein irres Steine sammeln dort noch deutlich beklemmendere Züge annahm, das spart der Film aus (Angaben in aktueller Ermangelung des Buches ohne Gewähr).

Choke - ein netter Zeitvertreib für Kenner des Buches und/oder Freunde von humorvollen Geschichten über Psychowracks. Wie so oft ist aber natürlich der Roman die noch bessere Wahl (wenn auch in dem Fall nicht gerade ein Muß).

14. April 2010

Meine Tochter nicht! (Wolfgang Murnberger) 5,20




Eher flache TV-Primetime-Filme finden an dieser Stelle zurecht selten Beachtung. Noch dazu wenn das Ganze dann schon so typisch Sat1-mäßig extra blöd betitelt ist, was sich ja bei diversen vergleichbaren Produktionen in den letzten 2 Jahrzehnten schon fast zu einer Art eigener grotesker Kunstform entwickelt hat.

In diesem Falle aber ließ der involvierte Regisseur doch aufhorchen, zeichnet Wolfgang Murnberger doch für die äußerst gelungenen Wolf Haas Verfilmungen (Komm süßer Tod, Silentium, Der Knochenmann) verantwortlich. Insofern konnte man hier in Kombination mit der spannenden Thematik „Jugendliche im Drogenmilieu“ schon eine gewisse Qualität erwarten. Der Film ist auch halbwegs ordentlich gemacht, man merkt ihm aber auch meist an, dass es eine TV-Produktion ist und Herr Murnberger hier im Gegensatz zu seinen Kinoarbeiten nur ein relativ maues Drehbuch umzusetzen hatte.

Was den Film abseits seiner Kurzweiligkeit letztlich eher uninteressant macht, ist, dass er sich in keiner Weise mit möglichen Ursachen und Erklärungen für den Absturz der Tochter und die miese Beziehung zu ihren Eltern beschäftigt. Wie konnte es dazu kommen? wäre in meinen Augen die deutlich spannendere Frage gewesen als die hier gestellte: Was können wir als Eltern tun? , wenn es im Prinzip schon (zu) spät ist. Nur das extreme Verliebt sein in einen „coolen Typen“ und das Träumen von einer Fernreise allein, so wie es uns dieser Film weis machen will, werden ein cleveres junges Mädchen wohl kaum derartig ins Verderben führen, aber Nadja bleibt hier auch nur ein seelenloses Abziehbild einer jungen, unvernünftigen, aufmöpfigen und naiven Göre.

Übrigens ist bei dem Film auch etwas verwunderlich, dass es außer den Hauptpersonen kein soziales Netz bei der Tochter zu geben scheint: weder treten Freundinnen oder Schulkolleginnen auf und auch später, als sie an der Seite ihrer großen Liebe in die Drogenszene gerät, scheint es außer dem Typen und den Eltern niemanden zu geben, der Nadja irgendwie beeinflusst bzw. ihr (gut) zureden kann. Man könnte dies vielleicht auch mit künstlerischer Freiheit oder nötiger Dramatisierung erklären, dennoch lassen diese Faktoren den Film leider ziemlich flach und eher lebensfremd wirken, auch wenn selbstverständlich sozial isolierte Jugendliche durchaus ein gewichtiges Problemthema sind. Dennoch wirkt dies in der hier dargebotenen Form eher unglaubwürdig.

Die Filmeltern machen dann auch sehr viel falsch, obwohl ihre Verzweiflungsmaßnahmen auch oft verständlich sind. Gegen Ende wird aber immer mehr deutlich, dass diesem Projekt seichte Unterhaltung mehr Bedeutung hat als Anderes: die grenzdoofe, finale Problemlösung des Vaters und das zwar nicht hundertpro glückliche, aber doch extrem positive Ende (für die Familie) seien zur Verdeutlichung angeführt.

Was bleibt Positives? Der Film ist trotzdem nicht unangenehm blöd oder naiv und will vermutlich einem gutbetuchten, ahnungslosen Publikum mit sanften Mitteln die Drogenszene etwas näherbringen, naja..

Dennoch kann man dieser Leidens- und Verzweiflungstour der Eltern zugute halten, dass Fragen aufgeworfen werden und zum Auseinandersetzen mit heiklen Themen angeregt wird, wenn auch eben leider der Film dies nur höchst indirekt über sein Thema tut und weniger über das, was in ihm wirklich passiert. Dieser Film nicht! muss man nun nicht gerade schreien, aber etwas Besseres und leicht Anderes hätte man bei der investierten Mühe, einen halbwegs ernsthaften, engagierten Film über Jugendliche und Drogen zu drehen, dann schon zustande bringen können.

13. April 2010

The Princess and the Frog (Ron Clements/John Musker) 8,43




Endlich gibt es mal wieder einen gezeichneten Disney-Film, der dem Ruf nach an alte Glanzzeiten anknüpfen kann. Und tatsächlich, Küss den Frosch präsentiert sich derart ausgefallen und ausgelassen, dass es eine Riesenfreude für die Sinne, vor allem natürlich die Augen, ist. Glücklicherweise fallen auch die bei Disney- oder Zeichentrickfilmen manchmal nervigen Songs und die Musik in diesem Fall angenehm flott und nicht zu kindlich aus, und ergänzen sich ideal mit den enorm kreativen Zeichnungen und turbulenten, oft herrlich düsteren und abgedrehten Szenen. Ob der Film für die Kleinsten geeignet ist, lasse ich mal außen vor, jedenfalls machte es mir auch als Erwachsener sehr viel Spaß und die märchenhafte Geschichte bzw. der positive Grundton des Films ließen die Emotionen am Ende ordentlich fließen - einfach ein umwerfender Film. Einzig könnte man monieren, dass man am Ende das Märchen doch noch in aller Konsequenz durchzieht, anstatt es eine Stufe unter dem Happiest End zu belassen, aber wirklich gestört hat dies dann auch nicht.

Das Werk von Clements und Musker ist ein herrlicher, oft richtiggehend psychedelischer Genuß für die Sinne und letztlich ein schönes, insgesamt selbstredend kindgerechtes, aber nicht extrem simples oder störend klischeehaftes Wohlfühlmärchen mit enorm viel Kreativität, Charme, Esprit und einem ungemeinen Gespür für originäre Turbulenz...ein Erlebnis, das sich auch für die Großen lohnt und dem schnöde Worte ohnehin nicht gerecht werden können. Ansehen und mitreißen und verzaubern lassen!

12. April 2010

Kings of Pastry (Chris Hegedus & D A Pennebaker) 7,45




Die beiden Filmemacher begleiten drei Meisterkonditoren bei ihren Vorbereitungen auf und der Teilnahme an einer ganz besonderen Prüfung. Sie wollen zu MOFs werden, den "Meilleurs Ouvriers de France", den besten Handwerkern, in diesem Falle, Backwarenzubereitern des Landes der großen Gourmets. Ruhm und Ehre, sogar eine Ehrung durch den Präsidenten, winken denjenigen, die diese heikle und anstrengende Prüfung bestehen und dem MOF-Klub beitreten dürfen. Nur alle vier Jahre steigt die dreitägige Schwerstübung, in der die Bewerber alle möglichen wohlschmeckenden und gutaussehenden Kuchen, Torten, Pralinen und was es da so alles (dazwischen) gibt, bis zu riesigen, ultrafragilen Zuckerskulpturen anfertigen müssen...dass dies in so einer Streßsituation mit viel Zeit- und Erfolgsdruck natürlich auch bei einigen trotz großen Talents und akribischen Vorbereitungen in die Hose geht, ist klar...

Hegedus und Pennebaker haben mit Crème de la Crème (dt. arte-Titel) eine sehr sympathische und vor allem empathische Doku über die Feingebäckskönige und die MOF-Aufnahmeprüfung gedreht. Zu sehr beschwingter Musik gelingen ihnen immer wieder gewitzte Montagen rund um das große Ereignis, rund um all die schönen Desserts und deren gefinkelte und aufwendige Zubereitung, aber es gelingt ihnen auch ganz locker und ungezwungen die Kandidaten in ihrem Alltag zu begleiten und ihnen ihre Einstellungen und Gefühle zu diesem und jenem entlocken. Ein leichtfüßiger, entspannter, unterhaltsamer und humorvoller kleiner Film über die schönste Hauptsache der Welt, bei dem man am Ende richtig mitfiebern und mitleiden kann, auch wenn das Streben um Aufnahme in den exklusiven Club und die stressigen Vorbereitungen inklusive Vernachlässigen von Familie, usw. generell natürlich eher naiv und blöd erscheinen. Denn diese Typen sind ohnehin Meister ihres Faches, auch wenn sie dem Druck an diesen drei Tagen nicht gewachsen sind und den ehrwürdigen Kragen schlussendlich nicht anlegen dürfen. Zumindest vorerst, denn, so erfährt man unter anderem, auch der heutige Präsident des Vereins hat es erst im dritten Anlauf gepackt.

11. April 2010

Bright Star (Jane Campion) 5,30




Mit ihrer poetisch angelegten Romanze über den jungen Romantik-Dichter John Keats und seine Herzensdame kann Jane Campion leider schon wieder bei weitem nicht an das Niveau ihres einst so herausragenden The Piano anschließen und läuft langsam Gefahr, im künstlerischen Mittelmaß zu verschwinden. Bright Star zieht sich zwei Stunden lang sehr ordentlich inszeniert und gut gespielt, mit lebendigen Dialogen und romantischen Gedichtspassagen dahin, (alles noch keine große Kunst) ohne dass jedoch die Leidenschaft der beiden Liebenden oder die Poesie von Keats jemals wirklich zum Publikum durchdringen und, wie es einer solchen Kinoproduktion angemessen wäre, es mit heftigen Gefühlen erfüllen zu vermag.

Der Film erzählt eine tragische, aber auch schöne Geschichte, doch letztlich konnte Campion daraus nichts Außergewöhnliches, Sehens- und Erfahrenswertes machen; ihr Film bleibt seltsam blutleer, vermutlich auch weil man schon zu viele vergleichbare Liebes- und/oder Künstlerfilme gesehen hat. Campions Stil erreicht hier fast nie eine Wirk- und Sogkraft, denn - und das hat gar nichts mit ebenfalls kaum vorhandener Originalität oder Besonderheit zu tun - er schafft es eben auch in den emotional gedachten Szenen nicht einmal, ernsthaft zu berühren oder zu bewegen.

Bright Star, ein Werk, das leider mit Fortdauer immer mehr ganz blass an mir vorbeizog, um dann in scheinbarer Bedeutungslosigkeit auszulaufen. Sicher, dies ist vor allem ein subjektiver Eindruck, doch so eine mediokre und irgendwie nichtssagende Romanze haben weder die Zuschauer im 21. noch die beiden Liebenden aus dem 19. Jahrhundert verdient.

9. April 2010

Standard Operating Procedure (Errol Morris) 8,15




Die Geschichte rund um die bizarren Erniedrigungs- und Folterfotos aus Abu Ghraib bzw. wie diese hier aufgearbeitet wird, nämlich anhand von Interviews mit (u.a.) den an den Grausamkeiten beteiligten US-Soldaten, ist sehr interessant.

Die Umsetzung abseits der Interviewszenen und gezeigten Originalfotos mit Danny Elfman Musik und dramatisierten Hochglanz-Filmszenen mag vielleicht etwas seltsam sein, aber letztlich sind diese Elemente vernachlässigbar. Was an Morris‘ Werk entscheidend ist und auch bleibt, sind die Aussagen und Ansichten der verkorksten jungen Soldaten und Soldatinnen zu den Vorfällen und die Einsichten, die man als Zuschauer bekommt.

8. April 2010

Funny People (Judd Apatow) 8,34




Sehr schöner selbstreflexiver, melancholischer, nachdenklicher Blick auf die so beliebten witzigen Leute ganz privat. Der sonst meist so unerträgliche Sandler gibt das bemitleidenswerte und sich selbst bemitleidende, aber auch sich um Besserung bemühende Arschloch bzw. den getriebenen Mainstreamerfolgskomiker wirklich gut; auch Rogen überzeugt, ebenso deutlich gemäßigter als in manch anderen mir bekannten Auftritten, in einer vermutlich auch sehr authentischen Rolle. Die Interaktion, die Beziehung der beiden, vor allem wie rüde meistens George mit Ira umgeht bzw. sich generell gibt (groß, als eine von mehreren, etwa die “Bob Marley” Szene), ist von Apatow nie besonders angenehm und harmonisch, sondern oft fast bitter geschrieben und inszeniert. Schön auch, dass sich der Verdacht auf eine klischeehafte Arschloch wird durch Krankheit und neuen Freund geläutert und wandelt sich zum Positiven Geschichte nicht bestätigt, Sandlers Charakter bleibt auch zum Ende nicht gerade sympathisch: durchaus positiv für so einen Film.

Es gab Stimmen, dass Apatows neuer Streich zu lang und nicht besonders lustig wäre, doch genau dieses sich nicht in übliche Schemata hineinzwingen (lassen), macht u.a. die Größe von Wie das Leben so spielt (dt. Titel) aus. Das Besondere, das Mühsame, auch das Tragische des ständig lustig sein Wollens oder Müssens ist ein enorm interessantes Thema und der Film behandelt das auch gut, überzeugt mit den Auftritten in kleinen Clubs oder dem Thematisieren des Witze austüftelns und bietet dann auch immer wieder nette Späße (sicher auch viele Insider), aber genauso auch weniger gelungene und magere Witze, was die Qualität natürlich somit erhöht und den Film ja gerade bereichert. Charmante Nebenfiguren wie Schmiras Flamme oder clevere Gastauftritte wie etwa von Eminem, spritzige Sprüche/Wortwechsel und herrlich absurde Szenen wie Lauras Schauspieleinlagen (Ehemann anlügen) runden Apatows erfreuliches Werk ab.

Nur gegen Ende, als George um seine Liebe kämpft, verliert der bedeutende Komik-Spezialist der letzten Jahre vielleicht etwas an Linie gegenüber dem Rest, aber das passt hier schon alles genauso wie es ist, Funny People ist sicher auch ein sehr persönlicher Film.

Diese dauerwitzelnden Melancholiker auf der ewigen, mühsamen Suche nach Lebensfreude, Liebe und guten Gags sind einen lässigen, leicht überlangen Filmabend auf jeden Fall wert.

1. April 2010

Alice in Wonderland (Tim Burton) 4,85




Am Anfang war die verschwommene Kindheitserinnerung an diese Zeichentrickfernsehserie. Der Fall ins Loch, die kuriosen Gestalten, das Kricketspiel, fliegende Teller, verrückte Frauen. Das und unzählige Verweise der Popkultur waren bis vor kurzem alles, was ich von Carrolls Klassiker kannte.

Dann las ich das Buch. Das sich unter anderem auch durch die zahlreichen Wortspiele definierte. Und durch seinen unaufgeregten, nicht allzu dramatischen, episodenhaften Nonsens. Es gibt da nicht wirklich eine sich aufbauende Spannung oder einen echten Showdown mit Auflösung, sondern als es dramatisch zu werden scheint, kehrt Alice einfach zurück und die Geschichte, die Carroll für Kinder (vor allem Mädchen?) geschrieben hatte, war vorbei, es blieb ein schöner Sommertag.

Obwohl ich das Buch im Alter von 30 Jahren und mit der Kenntnis der meisten Figuren nicht mehr allzu aufregend fand, gefällt mir Carrolls Arbeit in ihrer verrückten Kindlichkeit und den seltsamen Fantasien sehr gut. Das zweite Buch kenne ich nun nicht, von daher kann ich mir kein endgültiges Urteil über die Qualität von Burtons beide Geschichten vereinende Filmadaption erlauben. Aber was mir definitiv besser gefallen hätte als sein Film, wäre eine etwas weniger auf Handlung und vor allem viel weniger auf (mäßige) Düsternis und (mäßige) Spannung getrimmte Verfilmung gewesen. Vielleicht ein noch verspielterer und surrealerer Zugang, wie er leider nur in manchen Szenen (dann allerdings schon sehr schön umgesetzt) gewählt wurde.

Beim Ansehen dieses Films fühlte ich aber leider, bei aller Vorfreude auf ein schön verrücktes, von absurden Gestalten bevölkertes und vor abgedrehten Bildern sprühendes Märchen, die meiste Zeit einfach nur Leere und Emotionslosigkeit. Warum gab es z.B. sowenig Charme wie in den vielen Nonsense-Dia- und Monologen in Carrolls Vorlage? War es wirklich nötig, wegen Johnny Depps Screentime und Zuschauermagnetwirkung dem Hutmacher mehr Bedeutung beizumessen? Vielleicht ist der Verlauf gegen Ende des Films mit dem Endkampf gegen Jabberwocky ja auch dem zweiten Buch entsprechend, gefallen hat mir diese Pseudoepik aber keineswegs. Auch das 3-D war ziemlich für die Würste, generell ist der Hype um die Technik mittlerweile schon wieder eher ein Ärgernis als eine wirklich sinnvolle Kinoentwicklung.

Da ich bei weitem nicht der einzige Ernüchterte angesichts des neuesten Burton bin und einige Bekannte, Freunde und/oder Kritiker bereits sehr gute und vor allem mit mehr Materienkenntnis und mehr analytischen Qualitäten angereicherte Texte verfasst haben, verweise ich einfach mal auf ein paar von diesen. Kann im Grunde ihnen allen im Großen und Ganzen zustimmen:

Sieben Berge, Rajko, Christoph Huber, Vince, Thomas Groh

Burtons Alice in Wonderland ist kein absolut mieser Film, aber schon eine Enttäuschung und auch in Anbetracht der Frage nach dem Sinn einer weiteren Adaption eines bereits derart zu Tode erschöpften Stoffes sogar noch einen Tick schwächer als Gilliams gar nicht so unähnliche, auch schwache, aber wenigstens kreativere Imaginarium-Seltsamkeit.