30. März 2012

Attack the block (Joe Cornish) 6,30




Eine Gang jugendlicher Ghettokids bekommt es mit Aliens zu tun und so werden die „bösen Buben“ der (britischen) Gesellschaft möglicherweise zu deren Helden. Eine witzige und sozialpolitisch sympathische Filmidee. Der Film selbst ist streckenweise sehr unterhaltsam, flaut aber nach einiger Zeit doch etwas ab und lässt an Highlights missen. Vielleicht wirkt der soziale Boden der Farce auch generell lokal (in England/London) nochmal griffiger als global. Vielleicht entgehen einem auch witzige Dialoge, wenn man den Slang nicht immer genau versteht.

Das Ende ist auch nicht ganz befriedigend: während es zuerst vor allem die Gruppe, die Gemeinschaft (inklusive – etwas seicht gezeichnet – weißer properer Bürgerin) ist, die zusammen etwas erreicht und sich gegen das Böse stellt, ist es ganz zum Schluß dann doch wieder ein einzelner Held, der die Aliens besiegt. Auch wenn es in gewisser Weise sympathisch (viel mehr aber auch nicht) ist, einen „kriminellen jungen Schwarzen“ zum Helden zu machen, wäre der Film mit einer weniger klischeehaften Lösung noch cooler gewesen. Insgesamt ist es halt doch sehr locker-seichte, an Originalität und irritierendem Potential bald einbüßende Unterhaltung mit minimalen gesellschaftspolitischen Ansätzen - ein etwas anderes Verhältnis hätte natürlich noch mehr gefetzt.

25. März 2012

This must be the place (Paolo Sorrentino) 7,60




Diese über-groteske Penn-Figur macht es zu Beginn schon etwas schwierig, den Film interessant und nicht zu gewollt schräg zu finden, der kindliche Humor und die ausgesprochen kunstvolle, etwas abgehobene Inszenierung ebenso. Eine Herausforderung für den Geschmack, eine Mischung die lange nicht so wirklich zünden will, obwohl es grundsätzlich ja gar nicht unsympathisch ist. Manchmal fragt man sich aber schon auch, was das nun soll außer betont künstlich zu sein.

Die zweite Hälfte gerät zum Glück deutlich besser als die erste; als sich Cheyenne auf die Reise macht, als Drive hineinkommt und plötzlich auch mehr Düsteres; mit etwas Tiefgang geht die Groteske eines tuntigen Ultramüden mit Trollie dann deutlich besser auf.

Visuell bietet Sorrentino einiges, wunderbar etwa die genial arrangierte Kamerafahrt beim Auftritt David Byrnes. Auch gegen Ende finden sich noch viele Schönheiten. Und das Finale ist beklemmend (schön). Ein sehr eigener, künstlerisch ambitionierter Film, der stark und letztlich doch noch sehr positiv im Gedächtnis bleibt.

24. März 2012

Mammoth (Lukas Moodysson) 8,28

Nach seinen radikalen Arbeiten A hole in my heart (großartig!) und Container (noch nicht veröffentlicht, noch nicht gesehen) ein Schritt zurück ins „normale Arthouse“ vom ehemaligen Gefühlsfilmfilmer Moodysson. Das von etwas blasiert wirkenden Kritikern seinerzeit gnadenlos verrissene „Globalisierungsdrama“ scheint zunächst wirklich nicht zum eigenen Vorteil in der Tradition von Werken wie Babel oder Import Export zu stehen.

Doch bald merkt man, dass Moodysson ein faszinierendes Bild entwirft, aufgehängt am zentralen Motiv eines durch eine „moderne, globalisierte Arbeitswelt“ jeglicher Nähe beraubten Familienlebens.

Es sind oft die Kleinigkeiten, die diesen Film so toll machen: z.B. als Leo der jungen Thailänderin seine teuren Wertsachen überlässt und sie im Anschluss gerade mal 30 Dollar, also vermutlich einen Bruchteil dafür bekommt; es ist eine komplizierte Welt…

Mammoth ist ein Film, der vieles auf einmal thematisiert, aber dabei stets gefühlvoll und intim bleibt. Manche Kritiker mag das vielleicht überfordert haben, so als ob es eine Schwäche wäre, vieles in einen Film zu packen und mehrere Schauplätze zu bedienen oder als ob es ein Fehler wäre, Familienwerte und menschliche Nähe als Positiva zu zeigen.

Sicher erreicht Mammoth nicht ganz die künstlerische Klasse und ausgefeilte Vision der bereits angesprochenen Großtaten von Innaritu oder Seidl, aber Moodysson hat ein gutes Gespür für Melancholie: und so wirkt sein Film sympathisch, ehrlich; es ist auch sehr schön, dass hier nicht alles mit allem zusammenhängen muß. Dank Williams und Bernal ist es sowieso ein Genuß.

Mammoth ist einer von vielen zeitgenössischen Filmen, die uns die moderne, komplexe Welt zeigen wollen; not more not less: ein sehr sehenswertes Werk, das beschäftigt.

18. März 2012

Habemus Papam (Nanni Moretti) 8,29




Es ist schon sehr köstlich, wie Moretti mit schalkhaftem Humor das Kardinalsleben schildert, auch die ironischen Psychoanalyse-Szenen sind ziemlich lustig – Moretti gibt quasi den „italienischen Woody Allen“.

Der großartige Michel Piccoli ist immer noch großartig; seine Flucht vor der Über-Verantwortung fördert keine weltbewegende Psychostudie zu Tage, verleiht aber dem gehobenen Klamauk schon eine ansprechende Substanz.

Manchmal spürt man auch Morettis Narzissmus und Hang zur etwas übertriebenen Selbstinszenierung: in dem Abschnitt mit dem Volleyballturnier ist das schon hart an der Grenze. Dem Vergnügen schadet es aber nicht; es wurde an einigen Stellen bemängelt, dass der Film zu mild, zu wenig „böse“ wäre, doch hier geht es nicht primär darum dem Vatikan oder gar dem Katholizismus möglichst ätzend etwas reinzuwürgen: Moretti und Piccoli sorgen für ein sympathisches, schelmisches, fast himmlisches Vergnügen.

16. März 2012

Avaze gonjeshk-ha (Majid Majidi) 7,46




Das Lied der Sperlinge
: Die Geschichte eines traurigen Clowns und seiner Familie im alltäglichen Wahnsinn rund um finanzielle Absicherung hat auf den ersten Blick etwas von einem schon ein wenig abgenutzten „Nahost-Folklorestil“, ist aber insgesamt sehr reichhaltig, teilweise vielleicht auch so etwas wie „felliniesk“. Was manchmal etwas amateurhaft oder beim Humor auch mal befremdlich wirkt, machen Charme und Lebendigkeit bis zum Abspann locker wett.

Vor allem erfreut die geerdete Gemütlichkeit (auch des Hauptcharakters) ob all der Katastrophen und Existenzbedrohungen, die zuhauf daher prasseln. Was dem Film eine schöne und sehr eigene Mischung aus Tragik, (Herzlichkeit) und Komik verleiht. Ganz entschlüsseln lässt sich die wohl zentrale Metapher rund um die Wüste und ein Straußenei nicht, doch auch ohne Komplettverständnis gibt es letztlich doch Einiges zu staunen und zu schmunzeln.

12. März 2012

Le refuge (Francois Ozon) 8,26




Wieder einmal gelingt Ozon auf seine so typisch leichtfüßige Art ein sensibel-melancholisch-poetischer Film, in dem sich ein trauriges Schicksal im Lauf der 90 Minuten zu einem vage hoffnungsvollen Blick in die Zukunft verwandelt (ohne dass so etwas wie ein Happy End auch nur angedeutet würde).

Eine junge, schwangere Frau verliert den Vater des noch ungeborenen Kindes durch eine Überdosis, macht danach im Krankenhaus den schon lang notwendigen Entzug und „flüchtet“ für die restlichen Schwangerschaftsmonate ans Meer. Praktisch, dass sie dort in einem wunderschönen, alleinstehenden Landhaus (eines Bekannten) wohnen kann – im ganzen Film könnte man einige Male sagen, dass das nicht die mega-typische Geschichte einer heroinkranken Schwangeren ist, doch darum geht es ja auch nicht zwingend.

Sogar eine sich anbahnende Liebesgeschichte mit dem Bruder des Toten steht im Raum, doch der fesch-feinfühlige Schwager, der einige Zeit bei ihr unterkommt, ist vielleicht homosexuell – das bleibt eine Zeit lang offen und sorgt für gehöriges Knistern, vor allem aber für einen sich zart entwickelnden Anflug von Leben nach der bitteren Vergangenheit.

Ozon kann so etwas so „natürlich“ und schön inszenieren wie kaum jemand sonst derzeit. Er bleibt dabei fast minimalistisch und braucht z.B. die überzogenen Stilmittel, wie sie etwa Valerie Donzelli in einem entfernt verwandten „neo-französischem Schicksalsschlag-Drama“ jüngst verwendet hat, gar nicht, um mindestens genauso zu berühren. Die Zuflucht (am Meer) ist deshalb einer der schönsten „kleinen Filme“ der letzten Zeit. Nicht zuletzt wegen des zentralen Chansons Rivière de plumes bleibt er noch lange als angenehm gemütlicher, lebensbejahender Herzwärmer in Erinnerung.

9. März 2012

Interludium - "Three American Classics"


The Rocky Horror Picture Show (Jim Sharman, 1975) 6,90


Es ist immer eigenartig, einen absoluten Kultfilm, den die restliche Welt schon kennt, sehr spät zu sehen – und gerade in diesem Fall ist das Wort Kult ja wirklich 100% zutreffend. Schon vor dem Film bekommt man im Kinofoyer von einer seltsamen jungen Amerikanerin mit Partyhütchen eine Zeitung gereicht. „Wie bitte?“ – „Kennst du den Film nicht?“ Aha.

Grundsätzlich ist das alles natürlich super – köstlicher Humor, angelehnt an alte Horror und Sci-Fi Filme, eine herrliche Freakshow und ein liebevoll-liebenswerter Mittelfinger an alle Spießer: super. Die Musicaleinlagen passen hier sogar dazu, die gewöhnlich so mühsame Kunstform wird hier schön trashig eingesetzt.

Sieht man mal von dem Oberhit „Time Warp“ ab, kann man sich aber aus heutiger Sicht schon mächtig wundern, warum dieser Film selbst im Musikunterricht in der Schule gerne gezeigt wird oder sich auch weniger abseitige Filmfans diesem bis in die heutige Zeit anhaltenden Kult unterwerfen: es geht ja doch sehr schräg zur Sache…

Leider ist wie bei sovielen Trashfilmen auch hier nach knapp einer Stunde die Luft etwas raus (spätestens nach dem köstlichen Essen, einem unerwartet grauslichen Höhepunkt) und übrig bleibt ein sicher außergewöhnlicher Film, dessen Verrücktheit wie gesagt äußerst liebenswert ist; der Kult dürfte aber vor allem von der Musik und nicht von den abgründigen Inhalten stammen – sonst wären vielleicht Mitternachtskinokollegen wie „Eraserhead“ oder „El Topo“ heutzutage ähnlich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Vielleicht liegt es auch nur am Aufhänger "Liebesgeschichte" oder daran, dass der Film doch sehr humorvoll (und gewollt trashig) mit seinen Abgründen umgeht…


Airplane! (Zucker, Abrahams, Zucker, 1980) 7,45

Das Wiedersehen mit diesem “Klassiker”, der Kino-Geburtsstunde des herrlichen, typischen ZAZ Stils, fällt überraschend ernüchternd aus. Circa die Hälfte der Gags ist ziemlich schwach und auch wenn der Stil damals neu gewesen sein mag, dürfte "Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug" von allen ZAZ-Klamauken noch der schwächste sein. Schlecht finden kann man das natürlich dennoch auf keinen Fall.


Bambi (David Hand, 1942) 5,80

Und wieder ein Klassiker, der beim Wiedersehen völlig, sogar noch mehr als "Airplane!", verliert. Noch dazu damals ein Jahr nach dem verstörend-süßen "Dumbo", dem wahrscheinlich besten Disney-Film aller Zeiten gedreht. Disney musste wohl einen „nur süßen“ Ausgleich zum herb-delirierenden Dumbo liefern, doch in Bambi ist das mit der Süßlichkeit etwas zu viel - oder etwas zu wenig wie man's nimmt. Das massiv traumatische Erlebnis des Verlusts der Mutter wird völlig übergangen, ansonsten herrscht hier nur Wald- und Wiesenharmonie zum Quadrat: redundant und oberflächlich muß man das – auch bei einem Kinderfilm – nennen.

Das Ende hat schöne Farben und ist für sich genommen schön gemacht; irgendwie ist der Film ja schon auch „süß“, aber nüchtern betrachtet ein ziemlich mittelmäßiges Werk.

7. März 2012

Kinatay (Brillante Mendoza) 8,80




Zu Beginn der typisch belebte Philippinenalltag bei Mendoza: so lässig gefilmt und schön anzuschauen, dieses Gewusel an Menschen, Kindern, Autos, Märkten; die Kamera blickt oft aus großer Entfernung auf die eigentlichen Hauptcharaktere, während davor das pralle Leben stattfindet. Auch die Stimmung könnte an diesem Tag nicht besser sein, eine Hochzeit steht an.

Dann geht nach 25 Minuten die Sonne unter und mit dem Beginn der Nacht beginnt auch der schrecklich reale Alptraum: wir sehen den frisch verheirateten Vorzeigepolizistenschüler bei illegalen aber harmlosen Geschäften und dann ist er plötzlich im Auto mit hohen Tieren - eine undurchsichtige „Operation“ beginnt. Mendoza entfaltet plötzlich einen Stil, den man so von ihm noch nicht kannte: im Halbdunkel zeigt er uns eine grausame Welt, immer wieder auch (bedrückend) ironisch durch die Sprüche über Integrität auf dem T-Shirt-Rücken des jungen Peping begleitet.

Eine Prostituierte, die Drogengeld schuldet, wird kältestschnäuzig und seelenruhig vergewaltigt, ermordet und „geschlachtet“. Es ist kein Film der Überraschungen, aber einer, der einen derart unangenehmen Sog entwickelt, eine eher verzweifelte als zornige Anklage der unglaublich pervertierten Korruption. Man kann das schon ertragen, aber spätestens wenn bei der Rückfahrt die Körperteile einfach aus dem Auto auf die Straße oder den Misthaufen geworfen werden, dann ist das dermaßen schockierend…am Ende sitzt man gemütlich beim Frühstück, Peping darf (für heute!) endlich gehen, nach Hause zur lieben Frau – die Schlußeinstellung wählt Mendoza so genial. Trotz des schwer ertragbaren Themas ein hervorragender Film.

2. März 2012

The Wackness (Jonathan Levine) 8,02

Das Nostalgie-Genre hat nun die eigene Jugend erreicht, das ist ja fast schon traurig. Andererseits auch ziemlich cool, endlich mal Musik und Stil der „eigenen damaligen“ Zeit Revue passieren zu lassen…

Im Stil von Filmen wie Almost Famous oder auch Adventureland wird auch hier die Geschichte eines jungen Mannes erzählt, der vor allem der Liebe hinterher hechelt, seiner ersten echten. Etwas ungewöhnlich vielleicht, dass Luke, der Hauptcharakter, Drogendealer ist. Unterlegt mit viel gemütlichem Old School Hip Hop ist er der Homie von schwarzen Drogenbossen, raucht sich ein und versorgt sogar seinen Psychotherapeuten-Psychiater mit Marihuana – bzw. er bezahlt ihn dadurch. (Besagter Psychiater wird von Ben Kingsley mit ungewohnt drolligen langen Haaren gespielt, was vor allem am Ende des Films etwas problematisch wird, wenn doch sehr viel Over- oder vielleicht gar Fehlacting im Spiel ist.)

Der Film verläuft generell in sehr bekannten Bahnen – der Außenseiter ist in eine coole, "unerreichbare" Schönheit verknallt, gewinnt dann doch ihr Herz, es kommt zum ersten Mal (mit den üblichen, skurrilen Sexpannen) und dem fatalen „I love you“…worauf sich die Angebetete nicht mehr meldet. Einerseits also ein bekanntes Schema – auch die Parallelhandlung um den Therapeuten, der verlassen wird um ganz am Ende eine neue Liebe zu erhalten – andererseits ist das alles so sympathisch, das die im Grunde sehr konservative Erzählung nicht besonders stört. Erwähnen muß man, dass hier das Dealen mit Drogen gar easy dargestellt und das Konsumieren von Marihuana sehr verherrlicht wird, doch auch das kann egal sein, denn es wird eher ein relaxtes Lebensgefühl transportiert - eine vergangene Ära wird mit Sepiaweichzeichner auch verklärt, aber sicher auch ironisch und dennoch liebevoll gezeichnet.

The Wackness (das Gegenteil von 'The Dopeness' wie uns in der Mitte des Films von Lukes Flamme erklärt wird) beschreibt die Lebenseinstellung von Luke, weil er die Dinge immer zweifelnd und negativ sieht; was seinem Charakter auch eine angenehme uncoole Tiefe gibt. Selbst seine Posen vor dem Spiegel und Übungen im Slang um cooler zu wirken, sind dezent anstatt dick aufgetragen, sodass der Film in seiner Zurückhaltung und dem liebevollem Charme, auch bezüglich eher „unanständiger Dinge“, einfach nur lässig ist, obwohl er keinen Originalititätspreis verdient. Auch der Ausklang, der einen Luke mit einer Ahnung von Plan und keinen perspektivlosen Dauerkiffer zeigt, ist erfreulich. Auf jeden Fall kann man jetzt so ein bisschen nachvollziehen, was Ältere an Filmen wie American Graffiti cool finden.