26. Januar 2013

L'Apollonide (Souvenirs de la maison close) [Bertrand Bonello] 8,26





Dieses elegante, getragene, ausgesprochen schön ausgestattete und gefilmte, geschickt in den Regionen zwischen Erotik und Liebe forschende Bordellogramm über zwei Stunden lang fesselnd zu nennen, geht zwar nicht, aber das ruhige Drama über ein Freudenhaus zur letzten Jahrhundertwende ist neben den angesprochenen Feinheiten immer wieder mal von genialen filmischen Einfällen durchsetzt. Bonello setzt diese Momente (die „lächelnde“ Frau, "Nights in white satin" gegen Ende) zum Glück spärlich, aber dafür umso wirkungsvoller ein .

Das Haus der Sünde könnte womöglich auch wirklich der ganz ganz große Wurf sein (schlag/frag nach bei Andreas Beilharz, Lukas Foerster, Rajko Burchhardt, Christoph Huber u.a.), doch leider endet es nicht am Höhepunkt oder wenigstens kurz danach, sondern nimmt mit dem eher banalen Maskenfinale wieder Einiges an zuvor erreichter Gefühlsintensität raus. Wobei die letzte Szene, die das Geschehen plötzlich noch in eine Gegenwart katapultiert, noch ganz reizvoll ist. 

Auf jeden Fall ist der gesamte Film so elegant und faszinierend inszeniert, dass ich Lust auf weitere Filme Bonellos bekommen habe...

21. Januar 2013

$9.99 (Tatia Rosenthal) 9,05




Absurde Melancholie mit viel Gefühl - ja, so ein Kino ist mir oft am liebsten von allen. Einige geplagte Seelen, ob lebend oder tot, befüllen dieses wunderbare Knetfiguren-Drama, das mit unterschwelliger Komik ein bewegendes Outsider-Gesellschaftspanorama im Episoden-Stil zeichnet. Herzliche und verstörende Szenen werden miteinander verschmolzen und ein ganz eigener Ton gepflegt; das (hierzulande) völlig untergegangene Werk zählt zu den schönsten und auf jeden Fall am schändlichsten übersehenen Filmen der letzten Jahre. 

In gewisser Weise ist Der Sinn des Lebens für 9.99$ (dt. arte Titel) dem Arthaus-Publikumshit Mary and Max gar nicht so unähnlich, jedoch etwas komplexer, tief- und abgründiger. Der Unterschied im Bekanntheitsgrad dieser zwei Filme ist bedauerlich, und kann eigentlich nur an einseitigem Lobbying und schwacher Vermarktung liegen. Denn bei aller strangeness ist Rosenthals Film im Kern äußerst humanistisch, durchgehend faszinierend und stets liebenswert.

14. Januar 2013

Je suis une ville endormie (Sébastien Betbeder) 6,20



Einstündiger Film, gesehen eines Nachts auf arte... 

Eine Mischung aus erotischer Romanze und urbanem, subtilen Grusel. Ein Paar verbingt eine Nacht im Park, der junge Mann wird danach vom Park magisch angezogen.

Zunächst ist das sehr atmosphärisch und vor allem Agathe Bonitzer hat Präsenz. Doch gegen Ende muß die nette Idee ja dann fast etwas verblassen. Als Betbeder in die teilweise sehr schön entrückte Stimmung des Films plötzlich ein nüchternes Interview mit einem Psychiater einspielt, kann man schon skeptisch werden.

Das Ende wirkt dann wie ein peinlicher Abklatsch des Endes der besten TV-Serie des letzten Jahrzehnts. Dennoch streckenweise ein feines kleines Werk mit einer faszinierenden Hauptdarstellerin...

6. Januar 2013

Amer (Hélène Cattet & Bruno Forzani) 3,80



Experimentell und Verzicht auf Konkretes ist nicht immer automatisch gut. Und ohnehin oft problematisch wenn es sich um einen 90-Minüter handelt. Was in einem Kurzfilm nett gewesen wäre, wird in einer plus einer halben Stunde nämlich irgendwann ultraöd. Wenn dann aber zum formalen Stilwillen quasi gar keine inhaltlicher Gehalt dazu stößt, läuft etwas schief. Zwei Passagen in diesem Film sind so etwas wie aufregend, der Rest ist fürchterlich langweilig.

Visuell ist diese (von Kollegen so genannte) "Giallo-Referenz" extrem ausgeklügelt und mit extra viel Lust an Großaufnahmen und ununterbrochen ausdrucksstarken Bildern und durch einer zuweilen auch beeindruckenden Rhythmus-Montage geprägt.

Auch wenn man das Grundprinzip eines solchen Kinos reizvoll und interessant finden kann: In "Amer" geht es doch nur um Oberflächen, die mehr oder weniger subtilen Elemente von Angst und Sexualität bleiben schlicht banal. Ich hatte eigentlich so etwas wie einen Horror- bzw. Gruselfilm erwartet. Alpträume kann Amer kaum verursachen, in seinen besten Momenten immerhin geschickt Aufmerksamkeit erregen.

Den Timecode der zwei guten Passagen habe ich nicht notiert, die eine gibt es nach ca. 20 Minuten (als einem das erste Mal bewusst wird, dass es sich um keine lineare Geschichte handelt) und hier gibt es eine schöne Kombination aus bunten Farben und der bereits versucht erwähnten Bild/Ton "Rhythmus"-Dramaturgie. Danach wird man mit der unsinnigsten aller Episoden gequält (junges Mädchen zu Besuch im Dorf - inhaltlich sollen sexuelle Wallungen, Spannungen und Unsicherheiten dargestellt werden, was jedoch nichts über die "Qualität" aussagt) und ähnlich sinnfrei (aber immer schön extravagant) scheint es weiter zu gehen, bis die Episode um eine Frau im Landhaus in der Badewanne mit einem Eindringling Fahrt aufnimmt und Beklemmung spürbar wird - gipfelnd in einer argen Rasiermesser-Nahaufnahme-Sadismus Szene.

Nicht wenige andere Filmfreunde waren von diesem aufreizend oberflächlichen, unmittelbar auf Netzhaut und Hirnrinde zielenden Stück Film begeistert, für mich ist es leider nur eine Art (gekonntes) Malen nach Zahlen, dem eine griffige Einbettung in irgendeinen interessanten Kontext fehlt.

2. Januar 2013

Bad Teacher (Jake Kasdan) 3,45



Bad Movie, so schlicht könnte man es ausdrücken. Was Cameron Diaz hier (in den aufreizenden Posen) veranstaltet, kann man nur als megapeinlich bezeichnen und fassungslos zur Kenntnis nehmen. Jason Segel ist völlig fehl am Platz, er hat auch kaum gute Auftritte. Zumindest einigermaßen erträglich macht den Schmarrn die eher unbekannte Lucy Punch - die als Einzige wirklich Komik betreibt. J.Timberlake in seiner Rolle ist auch noch zum Besseren zu zählen.

Warum Diaz sich am Ende plötzlich etwas gewandelt hat, ist jenseits von allem. Dem "Bösen" oder Verwerflichen an ihrer Figur und deren Handlungen fehlt jeglicher Biss und Charme; einfach nur peinlich und unlustig dieser Film. Jake Kasdan schien eigentlich ein ganz Guter zu sein, The TV Set war durchaus böse und witzig; von diesem Machwerk kann man aber nur, völlig ironielos, abraten.