24. August 2013

Ai to Makoto (Takashi Miike) 6,8



Endlich wieder mal Miike auf der großen Leinwand!
(nicht, dass er in Wien dahingehend nicht ausreichend und sehr zufriedenstellend gefeatured würde - danke Slash, danke Filmmuseum und danke auch Viennale! Aber endlich habe ich es mal wieder geschafft, wenn auch hundemüde in die Sehr-spät Vorstellung am Ende eines mühsamen 21 Stunden Tags, aber gut...)

Die große Vorfreude wird bald von körperlicher und seelischer Qual abgelöst. Eine überdrehte, kindische-pubertäre Musicalparodie, deren Nummern immer bescheuerter werden und nach einer gewissen Zeit einfach nicht mehr erträglich sind. Mit dem unfassbar scheinenden Gedanken spielend, aus dieser Nervtüte eines meiner Lieblingsregisseure einfach abzuhauen, versuche ich der anderen Stimme zu gehorchen, die mir versichert, dass Miike immer etwas Interessantes macht, und wenn es sich im Augenblick noch so blöd anfühlt.

Und tatsächlich, seine überdrehte Teenieliebe/Dreiecks-Romanzen/Gewalt-Groteske wandelt sich subtil, und schön sanft übergehend, düstereren Tönen und weniger unerträglich gesungenen (trotzdem noch überdrehten) Szenen zu. Manchmal erinnert das groteske Schul-Gangs-Szenario an Miikes eigenen (auch eher schwachen) "Crows Zero" und manchmal auch an das nicht allzu bekannte japanische Drama "Blue Spring".

Am Ende kann der Film doch was, wenn auch Miike kein richtig fesselndes Kino fabriziert hat. 

Vielleicht ist dahingehend seine Zeit doch eher vorbei, die (sympathischen) Juxfilme scheinen vom Gefühl her in dieser Phase mehr Überhand zu übernehmen. Freilich gibt es ja daneben auch seine Oldschool-Samurai-Schiene (diese Filme habe ich leider noch nicht gesehen).
Und vielleicht wendet er sich ja auch bald wieder den düsteren Thrillern oder den wirklich abgefahrenen Abgründen zu. Auch wenn er dahingehend eh schon Einiges erforscht hat....

19. August 2013

O som ao redor (Kleber Mendonça Filho) 8,0



Ein Film a la Altmans "Short Cuts" und Konsorten kündigt sich an: ein Genre, das völlig ausgewalzt scheint und das ich dennoch mit am meisten mag; ein Genre, das immer wieder eine ideale Möglichkeit schafft, in kleine Gesellschaften (bzw. -schichten) einzutauchen; Menschen, also filmische Charaktere kennenzulernen, und sich von meist dramatischen Konzepten von ambitionierten FilmemacherInnen mitreißen zu lassen.

Der Filmemacher zeigt uns in seinem ersten Spielfilm eine Wohngegend in Brasilien, die zunächst wie ein Gemeindebau wirkt, aber bald realisiert man, dass hier nicht die sozial Schwächeren im Mittelpunkt stehen, sondern es eher um die Reichen und vom Reichtum und dem Leben Gelangweilten geht –  Filho münzt dieses per se nicht wahnsinnig spannende Sujet in einen überzeugenden, packenden, oft ruhigen, manchmal geradezu berstenden Film, bietet eine faszinierende Mischung aus Dramatik/Dramatisierung und dem Vermeiden von Überdramatisierung. Auch wie sich die unterschwellig-unheimliche Vorahnung von Gewaltausbrüchen und Tragödien aufbaut, und dann ungewöhnlich und souverän aufgelöst wird, spricht für Film und Regisseur.

16. August 2013

Journal de France (Claudine Nougaret et Raymond Depardon) 9,1






Endlich was Neues von Raymond Depardon, dem Patron dieses Blogs (dank seinem unglaublich schönen La vie moderne). Hier ist er nur zu einem geringen Teil Co-Regisseur des Films, einer Art Best of- Film-Biographie mit bewegenden Szenen aus seiner vielschichtig-zahlreichen Karriere als politischer Filmjournalist und Künstler, eingebettet in den Rahmen einer Fotografie-Reise durch Frankreich.

Die extrem hohe Wertung für diese liebevolle Filmcollage ist dabei eher als sog. „Fanboy“-Ansicht zu verstehen, denn bei den Ausschnitten aus Depardons Werken (Begleitung von Einwohnern Afrikas und Südamerikas, Dokumentationen über Menschen in der Psychiatrie, Verhandlungen bei Gericht, und immer wieder spürbar das feinfühlige, manchmal auch herausfordernde, aber immer positiv neugierige Filmen von Menschen, egal wo auf diesem Planeten) möchte ich am liebsten sein gesamtes Schaffen lobpreisen. Das ist der pure Stoff.

Ob man auf die meisten dieser hier kurz angerissenen Werke überhaupt jemals komplett wird zugreifen können, ist äußerst fraglich und gerade das ist auch ein Grund dafür, warum diese zärtliche Huldigung von Depardons langjähriger Ton-Meisterin selbst ein so fantastischer Film geworden ist.

15. August 2013

5 broken cameras (Emad Burnat & Guy Davidi) 7,x



Palästinensische Aufstände im Westjordanland. Einwohner eines kleinen Dorfes versuchen sich gegen die israelische Armee und die israelischen Bauvorhaben zu stellen; der Ko-Regisseur dieses Films, Emad Burnat, ist immer mit der Kamera dabei – keine Überraschung, dass fünf Kameras im Lauf der Dreharbeiten zu Bruch gehen.

Der Film ist gewiss ein intensives Dokument dieses ewigen, schrecklichen Konflikts und der sinnlosen, aber vielleicht auch nie mehr zu beendenden Spirale der Provokationen und Gegenprovokationen. Die offensive, genau gar nichts zu einer möglichen Deeskalation beitragende Einstellung des Regisseurs und seiner Kompagnons macht aber auch wütend. Der dreijährige(!) Sohn wird zu den gefährlichen Demos mitgenommen um so „zum Mann zu werden“, die um ein Ende dieses Filmens und damit eines permanenten Leben aufs Spiel Setzens flehende Frau wird kurz gezeigt, dann aber mit den Worten „Ich muss das tun“ wieder abgedreht.

Man versteht die Wut der Menschen in deren Situation, aber als Zuschauer fühlt man sich dann doch etwas unwohl, wenn dem wenig diplomatisch anmutenden Film beim Abspann heftig applaudiert wird. Selbst wenn die Situation schrecklich ungerecht und ein Kampf gegen Unterdrückung immer legitim ist – selbst naive filmische Vermittlungsversuche wie Lemon Tree scheinen mir sympathischer..

14. August 2013

Da-reun Na-ra-e-suh / "In another country" (Hong Sang-Soo) 7,5



Ob Hong Sang-Soo jetzt vielleicht der neue Rohmer oder möglicherweise der neue Woody Allen ist, müssen andere entscheiden, Fakt ist, dass wir es hier mit einem klassischen Auteur zu tun haben, in dessen kauzigen Mann-Frau Filmen es quasi immer ums Gleiche geht, und die im Lauf der Jahre immer schwerer unterscheidbar sind. Bis auf diesen vielleicht, und das hat natürlich auch Casting-Gründe (La Huppert!). Und den drolligen Lifeguard natürlich. 

Drei Episoden, vergnüglich und doch melancholisch; Hong fühlt sich hier sehr heiter, schwebend an und in seinem eigenen Feld ist er natürlich längst ein Virtuose. Dass es aber spannendere Filmemacher in diesen Tagen gibt, die nicht nur immer das exakt selbe Feld beackern, muß man auch immer wieder festhalten. Der nächste Hong wird aber vermutlich auch wieder gerne gesehen.

13. August 2013

Che sau / "Motorway" (Soi Cheang) 7,0



Soi Cheang war bisher vor allem durch den großartigen, wild romantischen "Love Battlefield" in Erinnerung. Sein Accident war zwar imponierend gefilmt, ließ mich aber deutlich kälter als so manch andere begeisterte Filmfreunde.

Und da sitze ich dann (bei der Viennale 2012, ich bin langsam leicht in Verzug mit meinem Filmtagebuch) in den ersten 30 Minuten von "Motorway" (so ein bisschen mit diesem Gedanken, hoffentlich einen besseren Drive zu sehen) und langweile mich fast zu Tode. Autos, Motoren, der übliche Maskulinquatsch. Das reinste Gähn-Thema also und das fetischistische Filmen dieser Elemente scheint verzichtbar.

Doch zum Glück kratzt das Vehikel dann rechtzeitig die Kurve und Cheang haut dem fast schon eingenickten Enttäuschten plötzlich eine dermaßen beeindruckende, ewig lange Verfolgungssequenz daher, dass der eine oder andere Meisterwerk-Kommentar plötzlich wieder glaubwürdig erscheint.

Die simple Meister-Schüler Geschichte in Gewand eines Autobeherrscher-Polizei-Gangster-Films ist aber letztlich nicht mehr als ganz nett, auch wenn Cheang phasenweise atemberaubend inszeniert. Doch richtige Intensität resp. fiebriges Kino, das mehr als über eine Spielerei hinauskommt, wird nicht erreicht.