21. Oktober 2012

Alpeis (Giorgos Lanthimos) 7,42



Der neue Lanthimos ähnelt dem Vorgänger Kynodontas: rätselhafter Aufbau und dann gibt es da schon wieder so ein Mikrosystem mit eigenen Regeln. Durch sein existenziell-berührendes Thema, geliebte Menschen, die einem weggestorben sind, behalten zu wollen, ist das bisweilen etwas spröde dahinschlendernde, nicht vollständig überzeugende Drama sehenswert.

Gegen Ende des Films bekommt die Hauptdarstellerin endlich auch mehr bzw. ein tragisches Profil, das Publikum endlich ein bisschen Halt; einen tieferen Sinn hinter seiner „Anordnung“ scheint Lanthimos nicht mal selbst so recht zu sehen, doch das Leiden und verzweifelte Streben seiner Figuren ist bewegend und faszinierend zugleich. Vor allem der Strang mit dem harten Trainer und der jungen Tänzerin ist heftig, das Ende bei Lanthimos wieder einmal auch formal beeindruckend.

13. Oktober 2012

Chronicle (Josh Trank) 7,85



Tolle, spaßige, dynamische, aber auch immer dunkler werdende Unterwanderung des Superheldenfilms. Das "coming of superhero-age" wurde wahrscheinlich noch nie so liebenswert pubertär dargestellt, nichtmal in Raimis erstem Spider-Man: der schleichende Übergang von Kindereien mit den Kräften, bis diese immer mehr ihr Gefahrenpotential entwickeln, ist natürlich vorhersehbar, aber ein unterhaltsames und vergnügliches Konzept. Die Effekte verblüffen und es macht Riesenspaß, den Jungs beim Fliegen etc. zuzusehen, bis es dann immer dramatischer wird.

Störend ist da nur die total inkonsequente Umsetzung des „Selbst filmens“ (found footage ist hier fast schon der falsche Begriff). Raubt einem das nicht die Nerven, bekommt man einen erfrischend gewitzten und erstaunlich inszenierten, "anderen" Superkräfte-Film geboten.

11. Oktober 2012

Meek's Cutoff (Kelly Reichhardt) 7,58



Vielleicht ist Kelly Reichhardts Western ein Meisterwerk, das Konzept jedenfalls ist so radikal wie es nur sein kann: konsequent auf 1,33:1 reduziert, unglaublich spröde, schwer zugänglich. Ein Hochgenuß, dem beizuwohnen ist es jedoch (zu) selten, ganz im Gegensatz zur faszinierenden Ruhe von Old Joy oder dem großartigen Wendy and Lucy bleibt Meek's Cutoff doch eher gefangen im Spannungsfeld zwischen Kunst und Langeweile.

Das Spürbarmachen der Unsicherheit, das Hineinversetzen in diese fast surreale Situation des Überlebenskampfes der kleinen Gruppe und auch der feminine Blickwinkel auf eine männerdominierte Welt bzw. ein männerdominiertes Genre kommen erst spät im Film besser zur Geltung.

Eigenartige Szenen im Halbdunkel stehen einzelnen grandiosen Bildeinfällen gegenüber: etwa die ultralangsame Überblende, die einen Reiter wie am Himmelszelt entlang schleichen lässt, oder als jemand plötzlich völlig getarnt nach einigen Sekunden aus den Felsen hüpft. Das ist verblüffend, aber vielleicht auch nicht mehr als das seltene Hinwerfen von kleinen kunstvollen Brocken in einen zähen "Naturalismus"-Brei.

Meek's Cutoff ist schwer einzuordnen, nicht jedem empfehlbar: sehr spröde, zuweilen fast ungenießbar, wenig packend, aber definitiv ein Ereignis, ein in gewisser Weise wohl gar genialer femininer Kommentar zu einem uramerikanischen Männer-Genre.

2. Oktober 2012

The Mill and the Cross (Lech Majewski) 8,60




Man könnte sie fast meditativ nennen, diese Reise ins Mittelalter (und definitiv reizvoller als jene in Faust, weil zwar auch leicht artifiziell aber nicht so künstlich überdreht und geschwätzig wie bei Sokurov), wenn da nicht die ganze Grausamkeit des Menschen überpräsent wäre: Peitschen, Aufhängen, Kreuzigen, das volle Programm. Tut der berauschenden Qualität dieses Films natürlich keinen Abbruch.

Das Konzept ist großartig (wenn auch nicht völlig neu) und könnte meinetwegen gern noch mehrere solche Genrevertreter nach sich ziehen: ein bedeutendes, pralles Gemälde als Ausgangspunkt für einen Film zu nutzen. Gewiss ist dafür auch einiges an Genialität nötig, Machewski hat das sehr ausgeklügelt und meisterhaft umgesetzt – einer der faszinierendsten Kinobesuche des Jahres.