14. März 2013

Holy Motors (Leos Carax) 7,75



Etwa in der Mitte dieses leider gegen Ende fader werdenden, davor aber wahrlich aufregend durchgeknallten Films tritt Denis Lavant plötzlich mit Ziehharmonika auf, gefolgt von immer mehr Musikern: eine Karawane des Wahnsinns, der Freiheit und der Eigensinnigkeit, die mitten in einem nicht allzu leicht genießbaren Kunstwillenswerk das Publikum mitreißt.

Anything goes here – Bist du das? Ich glaube schon. In seinen besten Momenten kann man Carax und Lavant (was für ein Duo!), verstehen in ihrem Willen, das Kino und das Leben zu dekonstruieren. Genialen Momenten wie dem Auftritt von Mr. Merde, der visuell famosen Motion Capture Animal-Erotik oder der Meta-Mordszene stehen aber leider auch einiges an Leerlauf im letzten Drittel (ausgerechnet da!) gegenüber. Das Gefühl, eine Nummernrevue ohne viel Tiefe zu sehen, ist leider dann doch stärker als die Begeisterung. Vergleicher denken bei dem Film sicher auch an David Lynchs letzten Streich, doch gegen dessen Wahnwitz-Meisterstück INLAND EMPIRE ist Carax heiliger Motoren Film dann doch ein ganzes Eck weniger mindblowing.

Gegen Ende gibt es eine Hommage an Carax' eigenes Meisterwerk Les amants du Pont-Neuf (den ich bis jetzt nicht gesehen habe): für den Künstler selbst sicher eine tolle Geschichte, für den gewöhnlichen Zuseher bleibt es eher eine hohle Angelegenheit. Immerhin endet der Film (von einem beeindruckenden, wildromantischen Chanson begleitet) mit einem deutlichen Augenzwinkern, dem gleichzeitig Poesie innewohnt. Und dann gibt es noch die wirklich letzte Szene, die dann nochmal zwinkert und den Film so richtig heiter und unbeschwert ausklingen lässt. Ich kann mich mit etwas Abstand schon wundern, dass ich Holy Motors, definitiv einen DER Filme des Jahres 2012, nicht noch etwas besser bewertet habe. Aber vielleicht war das ja auch gar nicht ich.
Und womöglich liegt sie doch nicht so falsch.

2 Kommentare:

  1. Finde die Punkte in der Besprechung absolut nachvollziehbar, möchte aber daran erinnern, dass das besondere an diesem Film gerade ist, dass er sich einer Besprechung und irgendwie auch einer Betrachtung entzieht. Bei Carax nach inhalticher Tiefe zu suchen ist in etwa so wie in einem Gedicht nach Narration zu suchen.Die Kategorie "Kunstwillenswerk" finde ich nur schwer nachvollziehbar, schließlich will der Film gar nicht so viel in meinen Augen. Da finde ich viele moralische Geschichten aus Hollywood schon deutlich "gewollter" und in ihrer stilistischen Koherenz auch "kunstgewollter".
    Dennoch kann ich verstehen-und es ging mir auch ähnlich-dass der Film nicht immer seine Spannung hält bzw. abfällt an manchen Stellen. Aber irgendwie gehört das doch auch dazu bei Carax!

    AntwortenLöschen
  2. Statt "Wille" könnte auch "Lust" oder "Leidenschaft" stehen. :)
    Ich denke schon, dass man dem Werk den Willen, etwas ganz ganz Besonderes und Eigenes zu sein, in jeder Faser anmerkt, aber ich finde das ja auch sehr begrüßenswert (das kann man aus dem Text in dieser Verknappung wirklich nicht rauslesen, my bad).

    Dass Carax irgendetwas damit "erreichen" will, o.Ä. wollte ich damit nicht andeuten. Der Vergleich mit dem Gedicht und eine gewisse Unbesprechbarkeit gefallen mir...andererseits bleibt das Episodische am Film in meinen Augen dennoch ein Schönheitsfehler, der mir das ganz große Kinoglück leider etwas verwehrt hat..

    Von Carax muß ich jedenfalls noch ganz viel nachholen, war meines Wissens sogar der erste Film von ihm, den ich gesehen habe.


    (Dein heutiger "Film zum Tag Regisseur" Hou Hsiao-Hsien ist, übrigens, für mich noch ein komplett leeres Blatt...Three Times auch schon ewig auf meiner Liste)

    AntwortenLöschen