23. Juni 2010

Longford (Tom Hooper) 4,60




Die Moormörderin von Manchester, so der malerische arte-Titel, verspricht auf dem Papier gehobene Qualität für einen "TV-Film". Produziert von HBO und Channel 4, Drehbuch Peter Morgan (The Queen, Frost/Nixon), dazu Jim Broadbent und Samatha Morton in den Hauptrollen. Die Geschichte des Films ist inspiriert von den wahren Ereignissen rund um eine Kindsmörderin in den 60ern und den englischen Lord Longford, der es sich zu einer Lebensaufgabe machte, mit Gefängnisinsassen zu sprechen und ihnen, soweit möglich, beizustehen und ein wenig zu helfen. Dabei spart er auch die von ganz England gehasste Myra Hindley (Name evtl. geändert) nicht aus, was ihm privat, beruflich und öffentlich nicht gerade zugute kommt...

Aus dieser recht interessanten Prämisse entwickelt sich leider ein nur mäßiger Film. Zum einen nervt die Regie ziemlich, die zwischen die angemessen nüchtern gefilmten Dialogszenen immer wieder und wieder unnötige künstliche, überästhetisierte Bilder und Kameratechniken setzt, die nur selbstzweckhaft und hohl wirken. Ob dies nun mit Farbfiltern unterlegte und aus "coolen" Einstellungen gefilmte Gefängnismauern oder einfach nur ein Baum oder der Himmel sind, oder eingestreute Mätzchen a la Reqiuem for a Dream-1st Person-Kamera, was Hooper mit dieser penetranten Künstlichkeit, die niemals einem erkennbaren Konzept folgt, erzeugen will, bleibt ein Mysterium. Vielleicht wollte man die düstere und nüchterne Geschichte ja für das Publikum, welches moderne Ästhetik im zeitgenössischen Fernsehen gewohnt ist, etwas aufpeppen, o.ä.

Deutlich weniger verschmerzbar als solche letztlich auch ein wenig nebensächlichen Sinnlos-Extravaganzen, hat leider auch Morgans Skript einige Aussetzer, z.B. wenn Longford Ian Bradey besucht, den Partner und Komplizen von Hindley. In diesen Szenen darf Andy Serkis, der aussieht und auch wenig so spielt wie der Cousin von Mr. Bean, sich diabolisch-psychopathisch-ultraberechnend geben, und das wirkt eher lächerlich als beklemmend. Selbst ohne Kenntnis der wahren Persönlichkeit des dargestellten Mörders, wirken diese Szenen völlig daneben und verleihen dem Film noch mehr von dieser sich dem Thema absolut unangemessen anfühlenden Over the Top-Attitüde.

Im letzten Drittel, in dem man noch ein wenig über die unmenschlichen Umstände von Hindleys Gefängnisleben und die Zusammenhänge erfährt, wehmütig Longfords lebenslange Hingabe und seine spezielle Beziehung zu Hindley betont wird, und auch ein intelligenter Einwurf zum Thema "Geschlecht eines Mörders" gefällt, ist der Film sicher am besten und man kann diesem Projekt auch nicht wirklich böse sein. Ähnlichkeiten zu Werken wie Dead Man Walking werden deutlich und das ist ehrbar, aber die Geschichte vom lebenslänglich Verurteilten und dessen Recht auf Menschlichkeit im 21. Jahrhundert auch schon ein wenig altbekannt zugleich. Wenn sie dann noch so durchwachsen umgesetzt wird, ist so ein Film unter dem Strich einfach keine Empfehlung wert.

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