Fast so alt wie der Film selbst ist er und noch immer dreht er sie. Und zwar richtig gute. Der zum Zeitpunkt dieser Arbeit unglaubliche 100 Jahre alte Portugiese legt mit Eigenheiten einer jungen Blondine einen der frischesten und gewitztesten Filme des Jahres vor.
Es ist eine von Beginn an faszinierende, doppelbödige Geschichte, die uns de Oliveira hier von seinem ein halbes Jahrhundert älteren Landsmann de Queiroz adaptiert hat: Eine junge Frau betört einen etwas älteren Mann, leicht lasziv, aber auch unschuldig zugleich, vom Balkon aus, gegenüber des Büros, in dem er arbeitet. Zunächst erscheint sie wie eine Femme fatale, doch bald stellt sich heraus, die beiden lieben sich aufrichtig. Nur, der Film spielt in einer Gesellschaft, die eigenen Gesetzen unterliegt, der Onkel und die Mutter müssen die Hochzeit erlauben, ohne Geld und Status geht hier gar nichts.
De Oliveiras ungemein elegantes Werk wird noch einige Haken schlagen, das Ende ist fantastisch und beschäftigt noch lange danach. Und das obwohl man bald, auch unterstützt durch die rückblickend erzählende Rahmenhandlung, denkt, überraschen kann hier nichts wirklich: es ist eben eine dieser unzähligen Geschichten über fatale Liebe eines armen Tors. Stimmt zum Teil natürlich, aber dennoch besitzt dieser Film genug genuinen Reichtum. Dabei geht es weniger um einen “Twist” am Ende, als um grundsätzliche Fragen. Die letzte Szene stellt, so subtil und hervorragend wie nur möglich, hinsichtlich der Charaktereigenschaften und damit auch der Sympathieverteilung seitens des Publikums alles vorher Gesehene und Gehörte in Frage, ohne dabei ein plumpes er oder sie-Schema zu bedienen.
Der altehrwürdige Portugiese, ein unglaublich kluger und noch erstaunlich heller “Grufti” (wie auch, achtung extreme Spoiler!, Interviews wie dieses, Seite 9, belegen), übertrifft hier möglicherweise sogar noch seine spitzfindige Bunuel-Fortführung Belle toujours und bekräftigt damit seinen außergewöhnlichen Status als in zweierlei Hinsicht außergewöhnlicher Filmemacher. Einige mir bekannte Spätwerke, wie etwa Vou para casa/Ich geh nach Hause wirkten auch wie die eines fast 100-jährigen: respektabel, aber etwas antiquiert. Doch mit Filmen wie eben Belle toujours oder auch 'Singularidades..' erweist sich de Oliveira als mehr als nur respektabler ältester aktiver Regisseur mit ganz netten Streifen, er ist die hochlebendige Verbindung von Kunstvergangenheit und Gegenwart, ein intelligenter Vermittler von Antike und Moderne; Unterhaltung und Anspruch werden leichtfüßig und formidabel verknüpft; es kann gut sein, dass man für diese Arbeit die genaue Punktwertung im Laufe der nächsten Monate noch nach oben zu schrauben hat. O Götter, schenkt diesem Mann noch ein paar Jahre, und uns noch ein paar seiner Filme!
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