27. Juli 2010

Avant que j'oublie (Jacques Nolot) 7,25




Ein schwarzes Loch bewegt sich langsam, aber stetig auf die Kamera zu. Bedrohlich wird es immer größer und größer, bevor es den Bildschirm ganz verschlingt.

Der bevorstehende Tod ist ein zentrales Thema in diesem sehr persönlichen Werk des schauspielernden und schreibenden Filmemachers Jacques Nolot. Er inszeniert sich hier selbst als eine Art Alter Ego relativ schonungslos und gleichzeitig recht selbstironisch in langen, wenig verschleiernden Einstellungen als gealterten, aidskranken, einsamen, lebensüberdrüssigen Gigolo.

Die Inszenierung ist der Lethargie und mentalen sowie physischen Geschwächtheit seines Protagonisten entsprechend ruhig und gesetzt. Wie schon in Nolots vorhergehenden Film La Chatte à deux têtes (Hartgesottene können rudimentär formulierte Eindrücke und flapsige Sprüche von mir und anderen dazu hier nachlesen), dominieren lange Einstellungen, in denen nicht viel passiert oder eben alltäglich geredet oder gevögelt wird. Dies erinnert einerseits durch seine Langsamkeit an Spätwerke von Manoel de Oliveira und in der Darstellung von ziemlich emotionslosem, kalten Sex auch etwas an Szenen bei Bruno Dumont. Gewiss ist: Nolot dreht seine Filme nicht für ein großes Publikum, eher scheint dieser hier eine Art persönliche Therapie für ihn zu sein; ein Drang, sein eigenes Leben (wie sehr auch immer künstlerisch verzerrt) aufzuarbeiten, Intimes über das Kino publik werden lassen und dabei selbst die Hauptrolle zu spielen.

Es ist eine schon ziemlich zähe, in Literatur und Film natürlich bereits öfter erzählte Geschichte (lonely old man..), aber die persönliche Herangehensweise macht solche existenziellen Stoffe immer wieder aufs Neue interessant - der unaufgeregt dahintreibende Film vermag mit fortschreitender Laufzeit Interesse für diesen einsamen, aidskranken Mann zu wecken und sanft zu fesseln.

Nolot beweist auch immer wieder trockenen Humor, sei es durch schnittunterstütze Situationsgroteske oder in den Dialogen, wobei Pierre kein plappernder Zyniker a la Woody Allen oder Larry David ist, sondern alles sehr subtil, zurückhaltend, und gewiss auch sehr französisch kommentiert.

Am Ende inszeniert sich Monsieur Nolot dann regelrecht selbstgefällig und enorm theatralisch (auch überraschend, nach seinem nüchtern/unspektakulär männlichen Auftreten den ganzen Film hindurch, plötzlich als Transvestit), ein-zwei Minuten verharrt er in skurriler Pose, begleitet von dramatischer Musik: ein pathetischer (vielleicht ja auch wieder ironischer) Abgang, aber auch ein Abschied, so kann man sich fragen, nicht nur aus diesem Film, sondern vielleicht auch vom Filmemachen an sich?

Bevor ich vergesse (kurioser arte Titel: Ein Anfang vor dem Ende) ist ein etwas zähes, wehmütiges, bitteres, aber alles andere als humorloses Werk eines alternden Künstlers, das nicht viel Neues erzählt oder vermittelt, aber es, unterstützt durch die spürbare autobiographische Färbung, durchaus verdient hat, von dem Einen oder Anderen angesehen zu werden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen