14. April 2010

Meine Tochter nicht! (Wolfgang Murnberger) 5,20




Eher flache TV-Primetime-Filme finden an dieser Stelle zurecht selten Beachtung. Noch dazu wenn das Ganze dann schon so typisch Sat1-mäßig extra blöd betitelt ist, was sich ja bei diversen vergleichbaren Produktionen in den letzten 2 Jahrzehnten schon fast zu einer Art eigener grotesker Kunstform entwickelt hat.

In diesem Falle aber ließ der involvierte Regisseur doch aufhorchen, zeichnet Wolfgang Murnberger doch für die äußerst gelungenen Wolf Haas Verfilmungen (Komm süßer Tod, Silentium, Der Knochenmann) verantwortlich. Insofern konnte man hier in Kombination mit der spannenden Thematik „Jugendliche im Drogenmilieu“ schon eine gewisse Qualität erwarten. Der Film ist auch halbwegs ordentlich gemacht, man merkt ihm aber auch meist an, dass es eine TV-Produktion ist und Herr Murnberger hier im Gegensatz zu seinen Kinoarbeiten nur ein relativ maues Drehbuch umzusetzen hatte.

Was den Film abseits seiner Kurzweiligkeit letztlich eher uninteressant macht, ist, dass er sich in keiner Weise mit möglichen Ursachen und Erklärungen für den Absturz der Tochter und die miese Beziehung zu ihren Eltern beschäftigt. Wie konnte es dazu kommen? wäre in meinen Augen die deutlich spannendere Frage gewesen als die hier gestellte: Was können wir als Eltern tun? , wenn es im Prinzip schon (zu) spät ist. Nur das extreme Verliebt sein in einen „coolen Typen“ und das Träumen von einer Fernreise allein, so wie es uns dieser Film weis machen will, werden ein cleveres junges Mädchen wohl kaum derartig ins Verderben führen, aber Nadja bleibt hier auch nur ein seelenloses Abziehbild einer jungen, unvernünftigen, aufmöpfigen und naiven Göre.

Übrigens ist bei dem Film auch etwas verwunderlich, dass es außer den Hauptpersonen kein soziales Netz bei der Tochter zu geben scheint: weder treten Freundinnen oder Schulkolleginnen auf und auch später, als sie an der Seite ihrer großen Liebe in die Drogenszene gerät, scheint es außer dem Typen und den Eltern niemanden zu geben, der Nadja irgendwie beeinflusst bzw. ihr (gut) zureden kann. Man könnte dies vielleicht auch mit künstlerischer Freiheit oder nötiger Dramatisierung erklären, dennoch lassen diese Faktoren den Film leider ziemlich flach und eher lebensfremd wirken, auch wenn selbstverständlich sozial isolierte Jugendliche durchaus ein gewichtiges Problemthema sind. Dennoch wirkt dies in der hier dargebotenen Form eher unglaubwürdig.

Die Filmeltern machen dann auch sehr viel falsch, obwohl ihre Verzweiflungsmaßnahmen auch oft verständlich sind. Gegen Ende wird aber immer mehr deutlich, dass diesem Projekt seichte Unterhaltung mehr Bedeutung hat als Anderes: die grenzdoofe, finale Problemlösung des Vaters und das zwar nicht hundertpro glückliche, aber doch extrem positive Ende (für die Familie) seien zur Verdeutlichung angeführt.

Was bleibt Positives? Der Film ist trotzdem nicht unangenehm blöd oder naiv und will vermutlich einem gutbetuchten, ahnungslosen Publikum mit sanften Mitteln die Drogenszene etwas näherbringen, naja..

Dennoch kann man dieser Leidens- und Verzweiflungstour der Eltern zugute halten, dass Fragen aufgeworfen werden und zum Auseinandersetzen mit heiklen Themen angeregt wird, wenn auch eben leider der Film dies nur höchst indirekt über sein Thema tut und weniger über das, was in ihm wirklich passiert. Dieser Film nicht! muss man nun nicht gerade schreien, aber etwas Besseres und leicht Anderes hätte man bei der investierten Mühe, einen halbwegs ernsthaften, engagierten Film über Jugendliche und Drogen zu drehen, dann schon zustande bringen können.

13. April 2010

The Princess and the Frog (Ron Clements/John Musker) 8,43




Endlich gibt es mal wieder einen gezeichneten Disney-Film, der dem Ruf nach an alte Glanzzeiten anknüpfen kann. Und tatsächlich, Küss den Frosch präsentiert sich derart ausgefallen und ausgelassen, dass es eine Riesenfreude für die Sinne, vor allem natürlich die Augen, ist. Glücklicherweise fallen auch die bei Disney- oder Zeichentrickfilmen manchmal nervigen Songs und die Musik in diesem Fall angenehm flott und nicht zu kindlich aus, und ergänzen sich ideal mit den enorm kreativen Zeichnungen und turbulenten, oft herrlich düsteren und abgedrehten Szenen. Ob der Film für die Kleinsten geeignet ist, lasse ich mal außen vor, jedenfalls machte es mir auch als Erwachsener sehr viel Spaß und die märchenhafte Geschichte bzw. der positive Grundton des Films ließen die Emotionen am Ende ordentlich fließen - einfach ein umwerfender Film. Einzig könnte man monieren, dass man am Ende das Märchen doch noch in aller Konsequenz durchzieht, anstatt es eine Stufe unter dem Happiest End zu belassen, aber wirklich gestört hat dies dann auch nicht.

Das Werk von Clements und Musker ist ein herrlicher, oft richtiggehend psychedelischer Genuß für die Sinne und letztlich ein schönes, insgesamt selbstredend kindgerechtes, aber nicht extrem simples oder störend klischeehaftes Wohlfühlmärchen mit enorm viel Kreativität, Charme, Esprit und einem ungemeinen Gespür für originäre Turbulenz...ein Erlebnis, das sich auch für die Großen lohnt und dem schnöde Worte ohnehin nicht gerecht werden können. Ansehen und mitreißen und verzaubern lassen!

12. April 2010

Kings of Pastry (Chris Hegedus & D A Pennebaker) 7,45




Die beiden Filmemacher begleiten drei Meisterkonditoren bei ihren Vorbereitungen auf und der Teilnahme an einer ganz besonderen Prüfung. Sie wollen zu MOFs werden, den "Meilleurs Ouvriers de France", den besten Handwerkern, in diesem Falle, Backwarenzubereitern des Landes der großen Gourmets. Ruhm und Ehre, sogar eine Ehrung durch den Präsidenten, winken denjenigen, die diese heikle und anstrengende Prüfung bestehen und dem MOF-Klub beitreten dürfen. Nur alle vier Jahre steigt die dreitägige Schwerstübung, in der die Bewerber alle möglichen wohlschmeckenden und gutaussehenden Kuchen, Torten, Pralinen und was es da so alles (dazwischen) gibt, bis zu riesigen, ultrafragilen Zuckerskulpturen anfertigen müssen...dass dies in so einer Streßsituation mit viel Zeit- und Erfolgsdruck natürlich auch bei einigen trotz großen Talents und akribischen Vorbereitungen in die Hose geht, ist klar...

Hegedus und Pennebaker haben mit Crème de la Crème (dt. arte-Titel) eine sehr sympathische und vor allem empathische Doku über die Feingebäckskönige und die MOF-Aufnahmeprüfung gedreht. Zu sehr beschwingter Musik gelingen ihnen immer wieder gewitzte Montagen rund um das große Ereignis, rund um all die schönen Desserts und deren gefinkelte und aufwendige Zubereitung, aber es gelingt ihnen auch ganz locker und ungezwungen die Kandidaten in ihrem Alltag zu begleiten und ihnen ihre Einstellungen und Gefühle zu diesem und jenem entlocken. Ein leichtfüßiger, entspannter, unterhaltsamer und humorvoller kleiner Film über die schönste Hauptsache der Welt, bei dem man am Ende richtig mitfiebern und mitleiden kann, auch wenn das Streben um Aufnahme in den exklusiven Club und die stressigen Vorbereitungen inklusive Vernachlässigen von Familie, usw. generell natürlich eher naiv und blöd erscheinen. Denn diese Typen sind ohnehin Meister ihres Faches, auch wenn sie dem Druck an diesen drei Tagen nicht gewachsen sind und den ehrwürdigen Kragen schlussendlich nicht anlegen dürfen. Zumindest vorerst, denn, so erfährt man unter anderem, auch der heutige Präsident des Vereins hat es erst im dritten Anlauf gepackt.

11. April 2010

Bright Star (Jane Campion) 5,30




Mit ihrer poetisch angelegten Romanze über den jungen Romantik-Dichter John Keats und seine Herzensdame kann Jane Campion leider schon wieder bei weitem nicht an das Niveau ihres einst so herausragenden The Piano anschließen und läuft langsam Gefahr, im künstlerischen Mittelmaß zu verschwinden. Bright Star zieht sich zwei Stunden lang sehr ordentlich inszeniert und gut gespielt, mit lebendigen Dialogen und romantischen Gedichtspassagen dahin, (alles noch keine große Kunst) ohne dass jedoch die Leidenschaft der beiden Liebenden oder die Poesie von Keats jemals wirklich zum Publikum durchdringen und, wie es einer solchen Kinoproduktion angemessen wäre, es mit heftigen Gefühlen erfüllen zu vermag.

Der Film erzählt eine tragische, aber auch schöne Geschichte, doch letztlich konnte Campion daraus nichts Außergewöhnliches, Sehens- und Erfahrenswertes machen; ihr Film bleibt seltsam blutleer, vermutlich auch weil man schon zu viele vergleichbare Liebes- und/oder Künstlerfilme gesehen hat. Campions Stil erreicht hier fast nie eine Wirk- und Sogkraft, denn - und das hat gar nichts mit ebenfalls kaum vorhandener Originalität oder Besonderheit zu tun - er schafft es eben auch in den emotional gedachten Szenen nicht einmal, ernsthaft zu berühren oder zu bewegen.

Bright Star, ein Werk, das leider mit Fortdauer immer mehr ganz blass an mir vorbeizog, um dann in scheinbarer Bedeutungslosigkeit auszulaufen. Sicher, dies ist vor allem ein subjektiver Eindruck, doch so eine mediokre und irgendwie nichtssagende Romanze haben weder die Zuschauer im 21. noch die beiden Liebenden aus dem 19. Jahrhundert verdient.

9. April 2010

Standard Operating Procedure (Errol Morris) 8,15




Die Geschichte rund um die bizarren Erniedrigungs- und Folterfotos aus Abu Ghraib bzw. wie diese hier aufgearbeitet wird, nämlich anhand von Interviews mit (u.a.) den an den Grausamkeiten beteiligten US-Soldaten, ist sehr interessant.

Die Umsetzung abseits der Interviewszenen und gezeigten Originalfotos mit Danny Elfman Musik und dramatisierten Hochglanz-Filmszenen mag vielleicht etwas seltsam sein, aber letztlich sind diese Elemente vernachlässigbar. Was an Morris‘ Werk entscheidend ist und auch bleibt, sind die Aussagen und Ansichten der verkorksten jungen Soldaten und Soldatinnen zu den Vorfällen und die Einsichten, die man als Zuschauer bekommt.

8. April 2010

Funny People (Judd Apatow) 8,34




Sehr schöner selbstreflexiver, melancholischer, nachdenklicher Blick auf die so beliebten witzigen Leute ganz privat. Der sonst meist so unerträgliche Sandler gibt das bemitleidenswerte und sich selbst bemitleidende, aber auch sich um Besserung bemühende Arschloch bzw. den getriebenen Mainstreamerfolgskomiker wirklich gut; auch Rogen überzeugt, ebenso deutlich gemäßigter als in manch anderen mir bekannten Auftritten, in einer vermutlich auch sehr authentischen Rolle. Die Interaktion, die Beziehung der beiden, vor allem wie rüde meistens George mit Ira umgeht bzw. sich generell gibt (groß, als eine von mehreren, etwa die “Bob Marley” Szene), ist von Apatow nie besonders angenehm und harmonisch, sondern oft fast bitter geschrieben und inszeniert. Schön auch, dass sich der Verdacht auf eine klischeehafte Arschloch wird durch Krankheit und neuen Freund geläutert und wandelt sich zum Positiven Geschichte nicht bestätigt, Sandlers Charakter bleibt auch zum Ende nicht gerade sympathisch: durchaus positiv für so einen Film.

Es gab Stimmen, dass Apatows neuer Streich zu lang und nicht besonders lustig wäre, doch genau dieses sich nicht in übliche Schemata hineinzwingen (lassen), macht u.a. die Größe von Wie das Leben so spielt (dt. Titel) aus. Das Besondere, das Mühsame, auch das Tragische des ständig lustig sein Wollens oder Müssens ist ein enorm interessantes Thema und der Film behandelt das auch gut, überzeugt mit den Auftritten in kleinen Clubs oder dem Thematisieren des Witze austüftelns und bietet dann auch immer wieder nette Späße (sicher auch viele Insider), aber genauso auch weniger gelungene und magere Witze, was die Qualität natürlich somit erhöht und den Film ja gerade bereichert. Charmante Nebenfiguren wie Schmiras Flamme oder clevere Gastauftritte wie etwa von Eminem, spritzige Sprüche/Wortwechsel und herrlich absurde Szenen wie Lauras Schauspieleinlagen (Ehemann anlügen) runden Apatows erfreuliches Werk ab.

Nur gegen Ende, als George um seine Liebe kämpft, verliert der bedeutende Komik-Spezialist der letzten Jahre vielleicht etwas an Linie gegenüber dem Rest, aber das passt hier schon alles genauso wie es ist, Funny People ist sicher auch ein sehr persönlicher Film.

Diese dauerwitzelnden Melancholiker auf der ewigen, mühsamen Suche nach Lebensfreude, Liebe und guten Gags sind einen lässigen, leicht überlangen Filmabend auf jeden Fall wert.

1. April 2010

Alice in Wonderland (Tim Burton) 4,85




Am Anfang war die verschwommene Kindheitserinnerung an diese Zeichentrickfernsehserie. Der Fall ins Loch, die kuriosen Gestalten, das Kricketspiel, fliegende Teller, verrückte Frauen. Das und unzählige Verweise der Popkultur waren bis vor kurzem alles, was ich von Carrolls Klassiker kannte.

Dann las ich das Buch. Das sich unter anderem auch durch die zahlreichen Wortspiele definierte. Und durch seinen unaufgeregten, nicht allzu dramatischen, episodenhaften Nonsens. Es gibt da nicht wirklich eine sich aufbauende Spannung oder einen echten Showdown mit Auflösung, sondern als es dramatisch zu werden scheint, kehrt Alice einfach zurück und die Geschichte, die Carroll für Kinder (vor allem Mädchen?) geschrieben hatte, war vorbei, es blieb ein schöner Sommertag.

Obwohl ich das Buch im Alter von 30 Jahren und mit der Kenntnis der meisten Figuren nicht mehr allzu aufregend fand, gefällt mir Carrolls Arbeit in ihrer verrückten Kindlichkeit und den seltsamen Fantasien sehr gut. Das zweite Buch kenne ich nun nicht, von daher kann ich mir kein endgültiges Urteil über die Qualität von Burtons beide Geschichten vereinende Filmadaption erlauben. Aber was mir definitiv besser gefallen hätte als sein Film, wäre eine etwas weniger auf Handlung und vor allem viel weniger auf (mäßige) Düsternis und (mäßige) Spannung getrimmte Verfilmung gewesen. Vielleicht ein noch verspielterer und surrealerer Zugang, wie er leider nur in manchen Szenen (dann allerdings schon sehr schön umgesetzt) gewählt wurde.

Beim Ansehen dieses Films fühlte ich aber leider, bei aller Vorfreude auf ein schön verrücktes, von absurden Gestalten bevölkertes und vor abgedrehten Bildern sprühendes Märchen, die meiste Zeit einfach nur Leere und Emotionslosigkeit. Warum gab es z.B. sowenig Charme wie in den vielen Nonsense-Dia- und Monologen in Carrolls Vorlage? War es wirklich nötig, wegen Johnny Depps Screentime und Zuschauermagnetwirkung dem Hutmacher mehr Bedeutung beizumessen? Vielleicht ist der Verlauf gegen Ende des Films mit dem Endkampf gegen Jabberwocky ja auch dem zweiten Buch entsprechend, gefallen hat mir diese Pseudoepik aber keineswegs. Auch das 3-D war ziemlich für die Würste, generell ist der Hype um die Technik mittlerweile schon wieder eher ein Ärgernis als eine wirklich sinnvolle Kinoentwicklung.

Da ich bei weitem nicht der einzige Ernüchterte angesichts des neuesten Burton bin und einige Bekannte, Freunde und/oder Kritiker bereits sehr gute und vor allem mit mehr Materienkenntnis und mehr analytischen Qualitäten angereicherte Texte verfasst haben, verweise ich einfach mal auf ein paar von diesen. Kann im Grunde ihnen allen im Großen und Ganzen zustimmen:

Sieben Berge, Rajko, Christoph Huber, Vince, Thomas Groh

Burtons Alice in Wonderland ist kein absolut mieser Film, aber schon eine Enttäuschung und auch in Anbetracht der Frage nach dem Sinn einer weiteren Adaption eines bereits derart zu Tode erschöpften Stoffes sogar noch einen Tick schwächer als Gilliams gar nicht so unähnliche, auch schwache, aber wenigstens kreativere Imaginarium-Seltsamkeit.