8. Februar 2013

Kurzkommentare aus dem 2. Halbjahr 2012

Bunt gemischt von toll bis schwach; Filme, zu denen ich nach dem Sehen wenig bis nichts notiert hatte und offensichtlich Monate später nicht allzuviel zu sagen habe..



Hell (Tim Fehlbaum) 5,2
Zu Beginn noch atmosphärisch, irgendwann dann nur noch Malen nach Zahlen; mit den leichten TCM Anklängen geht dann jede Eigenständigkeit flöten, und außerdem ist es mehr dunkel als hell.
Am Ende gelingt mit dem Ausbruch ins Helle nochmal eine feine Szene, insgesamt aber muß man diesem Produkt keine 90 Minuten seines Lebens schenken.


Restless (Gus van Sant) 7,6
Zu Beginn eher nervige Indie-Coolness, aber van Sant kann eh keine schlechten Filme machen; er schafft es, dass die wenig spezielle Geschichte dennoch sanft berührt. Vor allem das Ende ist großartig; die Erinnerungen und dann das erste Lächeln; eines der einfachsten und schönsten Enden, die das Kino dieses Jahr zu bieten hatte...


Weekend (Andrew Haigh) 8,25
Eine extrem genuschelte homosexuelle Liebesgeschichte. Ich habe zwei Drittel der Dialoge nicht verstanden, aber die unaufgeregte Zärtlichkeit des Films ist schön.


The Muppets (James Bobin) 4,3
Leider nur eine Nummernrevue, allzu sehr nach Schema F und gar arg „heile Welt“-ig. Vor allem nicht besonders witzig (hier hätte man bei Segel/Stoller mehr erwarten können). Musicalexperte bin ich ja beileibe nicht, aber wirklich gut waren die Songs für meine Begriffe nicht.


Grenzgänger (Florian Flicker) 7,1
Man merkt diesem lässig österreichischen Drama den Theater-Ursprung doch sehr an, aber Kammerspiele haben ja oft was Feines. Und Flicker hatte ja auch schon mit "Der Überfall" ein sehr spezielles gedreht. Dieses hier ist ruhig, lässig, soghaft, und unaufgeregt düster, hat gute SchauspielerInnen. Gegen Ende wird es auch intensiver, und intensiver...


Killer Joe (William Friedkin) 7,38
Ein White Trash-Theater, jederzeit packend inszeniert. Das Groteske und die schwarzhumorigen Schenkelklopfer halten sich ziemlich in Grenzen, sprich Friedkin und Tracy Letts führen ihre fast armselig naiven Charaktere bei weitem nicht so vor, wie es im Bereich des Möglichen wäre. Mc Conaughey zeigt Präsenz, das Finale ist intensiv. Aber es bleibt eben alles auch Theater.


Intouchables (Nakache & Toledano) 6,65
Einer der sowohl meistgeliebten als auch meistgehassten Filme des letzten Jahres stellt sich als bei weitem nicht so schlimm heraus wie von einigen Bloggerfreunden dargestellt. Bis auf ein bis zwei schlimme, schwer erträgliche Szenen ist es ein ganz nettes, charmantes Buddy Movie mit dem Herz am richtigen Fleck. Rassismusvorwürfe schießen doch ziemlich an den Motiven des Films vorbei.


Hoshi o uo kodomo/Children who chase lost voices from deep below (Makoto Shinkai) 7,49
Eine schöne, epische, traurige Anime-Geschichte über ein kleines Mädchen und den Wunsch, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen.


The Rum Diary (Bruce Robinson) 6,48
Ganz nette H.S. Thompson Adaption, die aber an das Lese-Erlebnis nicht heranreicht. Kurios dennoch, dass vieles beim Nachblättern eh ähnlich war, und ich nicht so recht weiß, was mir eigentlich gefehlt hat.


The 40 year old virgin (Judd Apatow) 8,45
Endlich mal das Apatow Debüt gesehen; köstlich-derb-kindische Unterhaltung mit Herz; es ist auch absolutes Formelkino, aber diese Formel war immerhin eine neue (as far as i know), und sehr nette.


Ai Weiwei: Never Sorry (Alison Klayman) 8,26
Zunächst wenig Begeisterung über den üblichen Doku-Stil mit vielen Interviews etc.. Doch bald nimmt einen das Engagement und das Trotzige dieses Mannes ein. Der Film mag auch nur bestimmte Aspekte eines gigantischen Themas beleuchten (wie könnte es auch anders sein), doch er eignet sich hervorragend als Reflexionsbasis und Einsicht in das Reich der Zensur.


Arbeitstitel (Björn Last) 8,10
Schon ein wenig prätentiös, aber umwerfend schön ist Lasts bislang bester mir bekannter Film. Wie er formal (Musikeinsatz, Kamera, Schnitte) arbeitet, ist erstaunlich, toll und beeindruckend.
Die Fragen und Reflexionen wirken trotz der offensiven „Kunst!“-Attitüde bodenständig und interessant. Der Film vereint Ästhetik und künstlerischen Zugang zum Filmemachen auf eine Art, die Lasts Vorbild Godard im Kleinen schon mal sehr gerecht wird.


Batman begins (Christopher Nolan) 6,35
Eher ödes Wiedersehen mit Nolans Batman Reboot nach ca. 7 Jahren (damals 8/10 gegeben). Was damals noch unterhaltsam schien, ist heute nur noch partiell so. Die Exposition ist mit einer Stunde zu lang, der versuchte psychologische Unterbau wenig bedeutsam.
Auffällig auch, wieviele Altstarschauspieler sich im Film tummeln, doch wirklich überzeugend sind die Auftritte nicht. Der jüngste, Cilian Murphy, strahlt am meisten aus.
Als es endlich mit dem „echten“ Batman los geht, gibt es einige nette Sprüche und Momente, aber mitreißend ist es nie. Bleibt anzumerken, dass Nolans zweiter Batman Film doch deutlich intensiver und spannender war - in vermutlich jeder Hinsicht.



3. Februar 2013

Damas, au péril du souvenir (Marie Seurat) 8,14



Damaskus, voller Erinnerungen: Ein sehr persönlich erzählter Essay über eine Wohnungssuche in der syrischen Hauptstadt, bei gleichzeitigem Aufarbeiten der Vergangenheit des Landes und des damit verbundenen Todes des Ehemannes. Sehr sperrig, doch bald auch faszinierend. Klug, bitter, und mit viel eigener, auch kontroverser Meinung ausgestattet, ist dies eine ehrliche, von tiefstem Herzen kommende Hommage an Stadt und verstorbenen Mann.

26. Januar 2013

L'Apollonide (Souvenirs de la maison close) [Bertrand Bonello] 8,26





Dieses elegante, getragene, ausgesprochen schön ausgestattete und gefilmte, geschickt in den Regionen zwischen Erotik und Liebe forschende Bordellogramm über zwei Stunden lang fesselnd zu nennen, geht zwar nicht, aber das ruhige Drama über ein Freudenhaus zur letzten Jahrhundertwende ist neben den angesprochenen Feinheiten immer wieder mal von genialen filmischen Einfällen durchsetzt. Bonello setzt diese Momente (die „lächelnde“ Frau, "Nights in white satin" gegen Ende) zum Glück spärlich, aber dafür umso wirkungsvoller ein .

Das Haus der Sünde könnte womöglich auch wirklich der ganz ganz große Wurf sein (schlag/frag nach bei Andreas Beilharz, Lukas Foerster, Rajko Burchhardt, Christoph Huber u.a.), doch leider endet es nicht am Höhepunkt oder wenigstens kurz danach, sondern nimmt mit dem eher banalen Maskenfinale wieder Einiges an zuvor erreichter Gefühlsintensität raus. Wobei die letzte Szene, die das Geschehen plötzlich noch in eine Gegenwart katapultiert, noch ganz reizvoll ist. 

Auf jeden Fall ist der gesamte Film so elegant und faszinierend inszeniert, dass ich Lust auf weitere Filme Bonellos bekommen habe...

21. Januar 2013

$9.99 (Tatia Rosenthal) 9,05




Absurde Melancholie mit viel Gefühl - ja, so ein Kino ist mir oft am liebsten von allen. Einige geplagte Seelen, ob lebend oder tot, befüllen dieses wunderbare Knetfiguren-Drama, das mit unterschwelliger Komik ein bewegendes Outsider-Gesellschaftspanorama im Episoden-Stil zeichnet. Herzliche und verstörende Szenen werden miteinander verschmolzen und ein ganz eigener Ton gepflegt; das (hierzulande) völlig untergegangene Werk zählt zu den schönsten und auf jeden Fall am schändlichsten übersehenen Filmen der letzten Jahre. 

In gewisser Weise ist Der Sinn des Lebens für 9.99$ (dt. arte Titel) dem Arthaus-Publikumshit Mary and Max gar nicht so unähnlich, jedoch etwas komplexer, tief- und abgründiger. Der Unterschied im Bekanntheitsgrad dieser zwei Filme ist bedauerlich, und kann eigentlich nur an einseitigem Lobbying und schwacher Vermarktung liegen. Denn bei aller strangeness ist Rosenthals Film im Kern äußerst humanistisch, durchgehend faszinierend und stets liebenswert.

14. Januar 2013

Je suis une ville endormie (Sébastien Betbeder) 6,20



Einstündiger Film, gesehen eines Nachts auf arte... 

Eine Mischung aus erotischer Romanze und urbanem, subtilen Grusel. Ein Paar verbingt eine Nacht im Park, der junge Mann wird danach vom Park magisch angezogen.

Zunächst ist das sehr atmosphärisch und vor allem Agathe Bonitzer hat Präsenz. Doch gegen Ende muß die nette Idee ja dann fast etwas verblassen. Als Betbeder in die teilweise sehr schön entrückte Stimmung des Films plötzlich ein nüchternes Interview mit einem Psychiater einspielt, kann man schon skeptisch werden.

Das Ende wirkt dann wie ein peinlicher Abklatsch des Endes der besten TV-Serie des letzten Jahrzehnts. Dennoch streckenweise ein feines kleines Werk mit einer faszinierenden Hauptdarstellerin...

6. Januar 2013

Amer (Hélène Cattet & Bruno Forzani) 3,80



Experimentell und Verzicht auf Konkretes ist nicht immer automatisch gut. Und ohnehin oft problematisch wenn es sich um einen 90-Minüter handelt. Was in einem Kurzfilm nett gewesen wäre, wird in einer plus einer halben Stunde nämlich irgendwann ultraöd. Wenn dann aber zum formalen Stilwillen quasi gar keine inhaltlicher Gehalt dazu stößt, läuft etwas schief. Zwei Passagen in diesem Film sind so etwas wie aufregend, der Rest ist fürchterlich langweilig.

Visuell ist diese (von Kollegen so genannte) "Giallo-Referenz" extrem ausgeklügelt und mit extra viel Lust an Großaufnahmen und ununterbrochen ausdrucksstarken Bildern und durch einer zuweilen auch beeindruckenden Rhythmus-Montage geprägt.

Auch wenn man das Grundprinzip eines solchen Kinos reizvoll und interessant finden kann: In "Amer" geht es doch nur um Oberflächen, die mehr oder weniger subtilen Elemente von Angst und Sexualität bleiben schlicht banal. Ich hatte eigentlich so etwas wie einen Horror- bzw. Gruselfilm erwartet. Alpträume kann Amer kaum verursachen, in seinen besten Momenten immerhin geschickt Aufmerksamkeit erregen.

Den Timecode der zwei guten Passagen habe ich nicht notiert, die eine gibt es nach ca. 20 Minuten (als einem das erste Mal bewusst wird, dass es sich um keine lineare Geschichte handelt) und hier gibt es eine schöne Kombination aus bunten Farben und der bereits versucht erwähnten Bild/Ton "Rhythmus"-Dramaturgie. Danach wird man mit der unsinnigsten aller Episoden gequält (junges Mädchen zu Besuch im Dorf - inhaltlich sollen sexuelle Wallungen, Spannungen und Unsicherheiten dargestellt werden, was jedoch nichts über die "Qualität" aussagt) und ähnlich sinnfrei (aber immer schön extravagant) scheint es weiter zu gehen, bis die Episode um eine Frau im Landhaus in der Badewanne mit einem Eindringling Fahrt aufnimmt und Beklemmung spürbar wird - gipfelnd in einer argen Rasiermesser-Nahaufnahme-Sadismus Szene.

Nicht wenige andere Filmfreunde waren von diesem aufreizend oberflächlichen, unmittelbar auf Netzhaut und Hirnrinde zielenden Stück Film begeistert, für mich ist es leider nur eine Art (gekonntes) Malen nach Zahlen, dem eine griffige Einbettung in irgendeinen interessanten Kontext fehlt.

2. Januar 2013

Bad Teacher (Jake Kasdan) 3,45



Bad Movie, so schlicht könnte man es ausdrücken. Was Cameron Diaz hier (in den aufreizenden Posen) veranstaltet, kann man nur als megapeinlich bezeichnen und fassungslos zur Kenntnis nehmen. Jason Segel ist völlig fehl am Platz, er hat auch kaum gute Auftritte. Zumindest einigermaßen erträglich macht den Schmarrn die eher unbekannte Lucy Punch - die als Einzige wirklich Komik betreibt. J.Timberlake in seiner Rolle ist auch noch zum Besseren zu zählen.

Warum Diaz sich am Ende plötzlich etwas gewandelt hat, ist jenseits von allem. Dem "Bösen" oder Verwerflichen an ihrer Figur und deren Handlungen fehlt jeglicher Biss und Charme; einfach nur peinlich und unlustig dieser Film. Jake Kasdan schien eigentlich ein ganz Guter zu sein, The TV Set war durchaus böse und witzig; von diesem Machwerk kann man aber nur, völlig ironielos, abraten.