9. März 2012

Interludium - "Three American Classics"


The Rocky Horror Picture Show (Jim Sharman, 1975) 6,90


Es ist immer eigenartig, einen absoluten Kultfilm, den die restliche Welt schon kennt, sehr spät zu sehen – und gerade in diesem Fall ist das Wort Kult ja wirklich 100% zutreffend. Schon vor dem Film bekommt man im Kinofoyer von einer seltsamen jungen Amerikanerin mit Partyhütchen eine Zeitung gereicht. „Wie bitte?“ – „Kennst du den Film nicht?“ Aha.

Grundsätzlich ist das alles natürlich super – köstlicher Humor, angelehnt an alte Horror und Sci-Fi Filme, eine herrliche Freakshow und ein liebevoll-liebenswerter Mittelfinger an alle Spießer: super. Die Musicaleinlagen passen hier sogar dazu, die gewöhnlich so mühsame Kunstform wird hier schön trashig eingesetzt.

Sieht man mal von dem Oberhit „Time Warp“ ab, kann man sich aber aus heutiger Sicht schon mächtig wundern, warum dieser Film selbst im Musikunterricht in der Schule gerne gezeigt wird oder sich auch weniger abseitige Filmfans diesem bis in die heutige Zeit anhaltenden Kult unterwerfen: es geht ja doch sehr schräg zur Sache…

Leider ist wie bei sovielen Trashfilmen auch hier nach knapp einer Stunde die Luft etwas raus (spätestens nach dem köstlichen Essen, einem unerwartet grauslichen Höhepunkt) und übrig bleibt ein sicher außergewöhnlicher Film, dessen Verrücktheit wie gesagt äußerst liebenswert ist; der Kult dürfte aber vor allem von der Musik und nicht von den abgründigen Inhalten stammen – sonst wären vielleicht Mitternachtskinokollegen wie „Eraserhead“ oder „El Topo“ heutzutage ähnlich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Vielleicht liegt es auch nur am Aufhänger "Liebesgeschichte" oder daran, dass der Film doch sehr humorvoll (und gewollt trashig) mit seinen Abgründen umgeht…


Airplane! (Zucker, Abrahams, Zucker, 1980) 7,45

Das Wiedersehen mit diesem “Klassiker”, der Kino-Geburtsstunde des herrlichen, typischen ZAZ Stils, fällt überraschend ernüchternd aus. Circa die Hälfte der Gags ist ziemlich schwach und auch wenn der Stil damals neu gewesen sein mag, dürfte "Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug" von allen ZAZ-Klamauken noch der schwächste sein. Schlecht finden kann man das natürlich dennoch auf keinen Fall.


Bambi (David Hand, 1942) 5,80

Und wieder ein Klassiker, der beim Wiedersehen völlig, sogar noch mehr als "Airplane!", verliert. Noch dazu damals ein Jahr nach dem verstörend-süßen "Dumbo", dem wahrscheinlich besten Disney-Film aller Zeiten gedreht. Disney musste wohl einen „nur süßen“ Ausgleich zum herb-delirierenden Dumbo liefern, doch in Bambi ist das mit der Süßlichkeit etwas zu viel - oder etwas zu wenig wie man's nimmt. Das massiv traumatische Erlebnis des Verlusts der Mutter wird völlig übergangen, ansonsten herrscht hier nur Wald- und Wiesenharmonie zum Quadrat: redundant und oberflächlich muß man das – auch bei einem Kinderfilm – nennen.

Das Ende hat schöne Farben und ist für sich genommen schön gemacht; irgendwie ist der Film ja schon auch „süß“, aber nüchtern betrachtet ein ziemlich mittelmäßiges Werk.

5 Kommentare:

  1. THE ROCKY HORROR PICTURE SHOW setzt vielleicht einfach eine direkte Verbindung zum scharfen Generationsbruch in den 1960ern voraus, um völlig verstanden zu werden. Hier eine biedere Vorzeit, verkörpert durch die beiden zu Beginn verklemmten Hauptfiguren, da die pop- und sexualrevolutionär befreiten Schloßbewohner, die dann das Pärchen in die freiere "Neuzeit" einweihen. Die Handlung war schon immer ulkige Nebensache, es geht um die Evolution eines Lebensgefühls. Die Wucht dieses Umbruchs wurde noch in den 1980ern verstanden und gefühlt, obwohl das 1970er Design und die Musik schon damals altbacken waren, aber heute ist's natürlich Steinzeit. Als reiner "Trash" wird's wohl erst jetzt wahrgenommen, was aber nur zeigt, wie weit wir (insbesondere die Nachgeborenen) uns von den ehemals prägenden Erfahrungshorizonten entfernt haben.

    Zustimmen möchte ich auch bei AIRPLANE!. Meine letzte Sichtung liegt zwar auch schon einige Jährchen zurück, aber die Wirkung war ähnlich wie von dir beschrieben. Vielleicht liegt es daran, dass die TV-Comedy der letzten Jahrzehnte gerade den damals neuen ZAZ-Humor so restlos absorbiert und ausgewalzt hat, bis einem alles irgendwie bekannt vorkam.

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  2. Das, was du da schreibst, mit dem Lebensgefühl und der Verortung in der damaligen Zeit sehe ich ja genauso. Aber in diesem Zeitgeist entstanden doch auch zahlreiche andere "revolutionäre" Werke...

    Warum aber der Film bis in die heutige Zeit so "massentauglich" "überlebt" hat, erklärt das ja auch nicht wirklich, oder? Ich glaube, es liegt echt vor allem an der Musik. Wenn schön gesungen und getanzt wird, ist es einfach leichter verträglich, als wenn, sagen wir mal wie im "letzten Tango" oder beim "großen Fressen" depressiv rumgevögelt wird. :)

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  3. Und es geht im Film ja schon auch sehr abseitig zu, sogar Kannibalismus wird zelebriert...durch das Singen und Tanzen werden dann solche Extreme zur "ulkigen Nebensache"? :)

    Mich hat es nur gewundert, weil ich der Meinung bin, dass den Stoff viele toll und witzig finden zu scheinen, die sonst bei solchen Themen mit Phrasen wie "zu krank", "zu arg", "was für degenerierte Leute" usw. abwinken würden.. ;)

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  4. "Kult" ist ein Phänomen, das sich kaum in Worte fassen lässt. Auch das Bühnen-Musical wird meines Wissens noch immer jährlich in Brighton geboten. Das Ganze lässt sich vielleicht vor allem von uns Schwulen "erfassen", die in Frank's "Give yourself over to absolute pleasure!" eine wirkliche, absolut locker herübergebrachte Botschaft erkannten - und hofften, sie würde auch von Heteros verstanden. - Ich sah mir den Film eine Zeitlang mindestens zweimal pro Woche an und konnte natürlich jedes Wort auswendig. Heute hat das Spektakel seinen Reiz für mich auch ein wenig verloren, aber seine Wirkung auf Jüngere scheint anzuhalten. "Rocky Horror" ist eben auch der "Pre-AIDS"-Film.

    @Bambi
    Wie kannst du es wagen? :(

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  5. Gefühle lügen halt nicht, da kann ich nix mehr machen. ;)

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