11. April 2012

Towelhead (Alan Ball) 8,29




Irgendwie bezeichnend dass dieser "arge" Film des Six Feet Under-Schöpfers hier nie ins Kino und erst mit großer Verspätung auf DVD kam (mit dem sehr eigenwillig-eigenständigen Titel Unverblümt – Nichts ist privat): leichter Stoff sieht anders aus, die ätzende Vorortsatire wirkt wie eine ironische Version von Todd Solondz Filmen; krasse Themen im Gerüst des Zwiespalts amerikanischer und arabischer Familienwerte: Mißbrauch minderjähriger, Rassismus, ein impulsiver Vater der seine Tochter auch mal schlägt - es ist ein gewagter aber oft grenzgenialer Film, an dem man sich gut reiben kann; die Dichte an schrägen, humoristischen Szenen ist sehr hoch, was dem Film nicht immer gut tut (genauso wie die Darstellung Jasiras Vaters), doch wie Ball in seiner Romanumsetzung das Bittere sarkastisch angeht ist ungewöhnlich und meistens herrlich.

Im Kern ist "Towelhead" vor allem ein Film über erwachende Sexualität; eine junge, naive, unschuldige ‚Lolita‘ will bloß sexuelle Erfahrungen machen, doch was an und für sich ganz normal sein sollte, wird oft auch erst in den Augen der konservativen Familien(väter) zum verpöntem Absurdum.

Die unbequeme, enorm pralle Mischung aus politisch und sexuell unkorrekter Groteske bietet unter der herben Haube natürlich viel Potential zum Reflektieren absurder Kultur- und Wertedifferenzen, auch (beschämender bis krankhafter) männlicher Verhaltensmuster. Darüber, ob solch grenzwertiger Humor (etwa in den Szenen rund um die Pädophilie) die bessere Herangehensweise ist als eine ernstere lässt sich sicherlich intensiv streiten, doch "Towelhead" ist unbestreitbar ein außergewöhnlicher Film. Auch visuell wird einiges geboten: die Weichzeichneroptik wirkt wie eine Steilvorlage auf den kurz danach wesentlich größere Wellen schlagenden Precious, dazu gefallen immer wieder originelle Einstellungen und Montage.

7 Kommentare:

  1. Den muss ich wirklich endlich mal schauen.

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  2. Mach das - könnte dir durchaus gefallen...oder du findest ihn schwachsinnig, kann auch gut sein. :)

    Übrigens, deine "Schifferl"-Kritik find ich gut..glaub ich ungesehen, dass das nutzloser Crap ist. Und das hat für mich auch wenig mit einer (an anderer Stelle geführten) Grundsatz-Diskussion über "Liebe zum Kino", o.ä. zu tun..solche "Produkte" können mit Verrissen ja gar nicht genug bombardiert werden, in dem Falle passt das also (mal). :D

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    1. Bin ja manischer SFU-Fan, Ball hat also sowieso alle Freifahrtsscheine dieser Welt.

      Zu Battleship: Schön, dass Du das sagst - wenn auch an völlig falscher Stelle. :D

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    2. Als ich am Weg von der Arbeit die FB-Diskussion retrospektiv gelesen hatte, war eh schon alles gesagt, also.. ;)

      Six feet Under ist Gott, da haben wir endlich mal einen absoluten gemeinsamen Nenner...Towelhead ist vom Tonfall ganz anders, gröber...aber ich fand das gut, dass Ball hier wieder einen sehr anderen Weg geht..und in gewisser Weise ist er ja doch wieder im Vorort, wieder bei der Familien(dys)funktion, usw.. :)

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  3. Was macht den Film um 0,03 besser als Blue Valentine, oder wieso war er Dir keine 8,3 wert?

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    1. Ach, Alfonse...das lag am holprigen Übergang bei Schnitt 82. Bzw. hatten in BV nur Erwachsene Sex, das gibt Abzug.

      Das sind natürlich nur Bauchgefühlhundertstelkleinigkeiten im Wertungsbereich der schon ziemlich geilen, aber nicht völlig wunderbaren Filme. Towelhead hätte wohl noch etwas mehr Potential (in Richtung 9/10) gehabt, aber z.B. das Schauspiel von Jasiras Vater empfand ich oft grenzwertig (im Sinne der Grenze zu übertrieben mies). Sonstige Gründe sind mir schon entfallen, bin mit meinem "Tagebuch" schon monatelang im Verzug.. :/

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  4. Bei mir ist der Film leider auch schon wieder zu lange her, als daß ich dazu noch etwas mehr sagen könnte, aber ich fand den Vater echt gut.

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