2. Juni 2011

Folge mir (Johannes Hammel) 7,61




Könnte man nach dem unheimlichen, rätselhaften Vorspann noch einen sehr mysteriösen „Kunstfilm“ erwarten, zeigt sich recht schnell, dass hier eine allzu realistische Familiengeschichte im Mittelpunkt steht. Der kleine Pius leidet unter der streng katholischen Erziehung seiner psychisch nicht ganz sattelfesten Eltern. Ist er mal nicht zuhause, gibt es im Film keine wirkliche Erholung für ihn, sondern bloß einen krassen Religionslehrer, der gemütlich von göttlicher Liebe und Frieden faselt, während er die SchülerInnen mit perfide-terrorisierenden Machtspielchen quält.

Als psychisch nicht ganz sattelfest wurden die Eltern soeben beschrieben, doch die Mutter, die neben Pius das Zentrum des Films bildet, wirft eine Erkrankung dann völlig aus diesem Sattel. Dies setzt Hammel mit originären filmischen Mitteln um: die Schizophrenie (im ursprünglichen Wortsinne: Zwiegespaltenheit) der Mutter spiegelt sich in der Machart des Films gleich auf mehreren Ebenen wider: Die triste Filmrealität ist in Hochglanz Schwarz-Weiß gehalten, während Träume von oder Erinnerungen an schönere Zeiten in Farbe in körnigem 8mm-Farbfilmmaterial gezeigt werden, und zwar sind dies originellerweise Privataufnahmen des Regisseurs aus seiner (angeblich unbeschwerten) Kindheit. Darüberhinaus wird die gespaltene Persönlichkeit der Mutter (was zunächst kaum wahrnehmbar ist) konsequent von zwei verschiedenen Schauspielerinnen verkörpert – auch dass dies die Umsetzung zwei verschiedener Altersstufen (und daher so etwas wie die kranke und die geheilte Mutter) ist, scheint möglich bzw. wird vom Regisseur selbst in einem Interview ins Spiel gebracht.

Die subtilste Form dieser filmischen „Schizophrenie“ ist aber, dass die Mehrzahl der Filmfiguren deutlich österreichisch spricht, Wohnort und einzelne Symbole aber klar auf Deutschland deuten – ein irritierendes, aber spannendes Stilmittel in einem außergewöhnlichen, ungewöhnlichen Film, dessen Hochglanzästhetik zunächst noch etwas mau wirkt, aber mit der Zeit immer beeindruckender gerät. Folge mir ist ein originäres Kunstwerk, was nicht heißt, dass der Film durchgehend begeisternd oder völlig überzeugend ist, seine Kernthemen sind im Kino auch alles andere als völlig unverbraucht. Dennoch ist Hammel, auch mithilfe seiner teilweise hervorragenden Schauspieler, ein schönes, spezielles Kinoerlebnis gelungen (erwähnenswert auch ein beeindruckender Ausraster des sonst ruhig gezeichneten Vaters!), ein Film mit einer so noch nicht gekannten Aura, eine (vermutlich ziemliche) Low Budget Arbeit mit dem Atem großen Kinos.

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