6. Juni 2011

IL - Hathaway, Boorman, Seidl


True Grit (1969) 7,83

Der Film also, der dem großen John Wayne seinen einzigen Oscar beschert hat; die Verfilmung eines Romans, den die Coens vor kurzem noch einmal verfilmt haben, daher gleich doppelt interessantes Westernmaterial: Eine Verbrecherjagd, die sich vor allem durch die Besonderheit der weiblichen Hauptfigur definiert und dadurch auch auszeichnet. Eine toughe 14-jährige (die übrigens als extreme Nervensäge und kaum liebenswert gestaltet ist, jedoch gleichzeitig einen ungemein starken Charakter hat und darstellt) will den Mörder ihres Vaters fangen und wenn es gut läuft, auch umlegen, wie es eben in der alten (Western-)Welt so üblich sein mag. Durch die scheinbare, irritierende Unvereinbarkeit der Zeichnung einer hart-brutalen, wie selbstverständlich Todesstrafe-affinen Gesellschaft mit einer kindlich-naiven Weltsicht erhält der Film eine so noch nicht erlebte Spezialität, die ihm etwas ungemein Faszinierendes verleiht, das tief unter die Oberfläche der spaßig-rauen Unterhaltung reicht, die er ebenso bieten kann. Man kann nicht sagen, ob es ein leicht verträgliches, jugendtaugliches Werk mit wenigen brachialen Einsprengseln ist oder doch eher ein klassischer „Männer-Western“ mit völlig ungewohntem kindlich-auflockernden Humor.

Diese Mischung aus altbackener Sonntagnachmittagsfilm-Romantik und "argen" Gewohnheiten aus einer früheren Zeit (wie dem in der Männergesellschaft bereits völlig akzeptierten und respektierten Mädchen plötzlich ausführlich den Hintern zu versohlen bzw. anderweitig wie ein „Kind“ zu behandeln) die der Film, der selbst ja in einer durchaus modernen (Film-)Zeit entstand, immer wieder transportiert, ist bemerkenswert.

Schön ist an diesem sehr speziellen Western unter vielem anderem auch, wie lange es dauert, bis die Hatz mal losgeht (vielleicht vergleichbar mit dem französischen Thriller-Klassiker Lohn der Angst) - 45 Minuten dauert die Exposition, die auch ein Charakteristikum des Films bereits deutlich formuliert: Der Marshal - wie schon bei dem jüngst besprochenen Der Teufelshauptmann übrigens reduziert der deutsche Titel kokett-lakonisch auf John Waynes Grad - ist sehr gemütlich und laid back. Wayne genießt es, seine Rolle komisch und selbst-parodistisch anlegen (wenn auch selbstverständlich nur so weit wie möglich, denn in den Momenten, in denen es drauf ankommt, ist er trotz Suff und sanfter Witzfigur dann wieder ultratough bzw. der klare Chef im Sattel…)



Zardoz (1974) 8,85

Unglaublich schräg ausufernde Sci-Fi, die in ihrer irren Ausstattungswut und Bilderflut ein bisschen an die Jodorowsky Filme erinnert, aber trotz allem noch wesentlich geradliniger und konventioneller ist – obwohl diese Worte doch völlig fehl am Platz sind. Die abgefahrene Revolutionärsgeschichte und ihre vielen Subthemen ausführlich zu beschreiben, würde diesen Rahmen völlig sprengen, außerdem ist der Film bei einmaligem Anschauen kaum erfassbar – teilweise hat Boorman dieses irre Werk auch ermüdend mit Verrücktheiten angereichert, aber letztlich ist Zardoz gerade dadurch auch sehr sehenswert geworden.


Der Busenfreund (1997) 6,65

Man merkt diesem Porträt eines selbstbewussten und genüßlich selbstdarstellerischen Sonderlings mit Dauer an, dass vieles gestellt ist und das nimmt viel von dieser typisch faszinierend-abstoßenden Wirkung von Seidls sonstigen (späteren, gespielten) Filmen. Der titelgebende Freund aller weiblichen Aspekte, besonders jener von Senta Berger, suhlt sich richtig in seinen verrückten Ausführungen und genau das Selbe macht auch Seidl selbst, mit stilisierten Bildern der sich stapelnden Zeitungen des ultraschrägen Eigenbrötlers usw…

Dennoch hat diese Art, Leute zu filmen und ihnen ehrlich und konzentriert Raum zu geben (anstatt TV-Report mäßig irgendetwas zusammenzuschneiden und überzudramatisieren) etwas und man merkt diesem früheren Werk schon ein bisschen an, dass Seidl später mit diesem Blick für und auf Außenseiter den urmenschlichen Voyeurismus und das Gefühl der Beklemmung beim Zuschauen genial zusammenführen wird…

3 Kommentare:

  1. Herrliche Ironie, dass Wayne seinen Oscar ausgerechnet für seine Rolle in einem Henry Hathaway-Film und nicht in einem von John Ford bekam - was ich jetzt natürlich nicht weiter ausschlachten will, weil mir sonst Co-Admin und diverse Blogger-Kumpel abtrünnig werden. ;)

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  2. Hm, zu True Grit haben wir uns ja schon ausgetauscht. Ich finde es faszinierend, dass du den Aspekt Kindlichkeit/gewalttätige Männerwelt so betonst - ich nehme an, du bist durch dein berufliches Umfeld dafür sensibilisiert? Recht hast du natürlich, aber trotzdem bin ich der Auffassung, dass weder der Autor des Romans noch Hathaway oder gar Wayne sich irgendwie etwas besonderes bei der "übers Knie legen Szene" gedacht haben. Das war nicht nur im 19. Jahrhundert und in der Jugend von Autor, Regisseur und Schauspielern Alltag, sondern auch noch in den 1950er/1960er Jahren.

    Erwachsene, Eltern und, das muss man betonen, AUCH die Kinder haben das nicht als außergewöhnlichen und demütigenden Gewaltakt empfunden, der die Norm sprengte. Ich finde in diesem Zusammenhang immer noch Mark Twains Romane interessant, die sehr aufschlussreich den kindlichen, aber selbstverständlichen Umgang von Tom Sawyer und Huckleberry Finn mit genau diesen Themen beschreiben. Das ist uns heute so fremd geworden, dass man diese Romane inzwischen ja schon aus den unterschiedlichsten Gründe zensiert, um sie jugendkompatibel zu halten.

    "Zardoz" habe ich wirklich vor sehr, sehr langer Zeit einmal im Fernsehen gesehen und mein Eindruck ist in der Erinnerung so wie von dir beschrieben. Müsste ich auch mal wieder sehen. Vor allem nach DER Excalibur-Diskussion ;)

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  3. Ach der gute alte Johnny...ich freu mich auf viele weitere Filme von ihm. :)


    @ Mr. Siebenberg: Nun häng dich oder besser gesagt mich nicht so an dieser einen Szene auf. ;p

    Die war mir zwar besonders aufgefallen, aber mit dieser Kindlichkeit/Männerwelt-Sache wollte ich auch auf vieles anderes in dem Film hinaus, die gefährlichen Schießereien z.B. und das generelle Jagen von Mördern, zu dem die beiden toughen Herren eine 14 jährige (!!) mitnehmen. Und vor allem, dass sie so selbstverständlich und unerschrocken dabei ist, ist einfach nur schräg (man könnte sicher sagen, das ist eine Schwäche der Figurenzeichnung, aber es ist ja immer noch ein "Film").

    In gewisser Weise wird ja auch ziemlich verniedlicht, oder es wurde einfach schlampig gedreht, da es nach Verlusten oder Ableben von "Gangstern" Traumatisierung kaum gibt...was in einer Western-Genre-Welt wiederum auch normal sein mag.. ;)

    Wobei Verniedlichung gefällt mir nicht einmal wirklich als Beschreibung...denn es geht ja auch um einen Reifeprozess des Mädchens in gewisser Weise. Nicht dass ich jetzt sogar noch Lust auf den Roman bekomme, schließlich haben wir es ja mit einer "Literaturverfilmung" zu tun, bei denen ich meist die Filmversion zu flach finde. ;)

    Mit dem beruflichen Zusammenhang liegst du durchaus richtig, auch wenn mich das Thema dort nicht im Speziellen beschäftigt. Aber man ist sicher automatisch auf gewisse Sachen sensibilisiert. :)

    Das mit den Mark Twain Romanen finde ich ja sehr arg, werden die wirklich zensiert?? So etwas wäre mir ja gar nie in den Sinn gekommen...Sawyer/Finn wäre ohnehin mal wieder sehr cool zu lesen..

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    Und ja, bei Zardoz hab ich auch an Boormans Excalibur gedacht und natürlich an die exzessive Diskussion. Also: ein etwas umfangreicherer Text zu diesem Irrsinn wäre vielleicht ja wieder eine gute Diskussionsgrundlage, bzw. zumindest sehr sehr spannend zu lesen. Leider war ich an dem Abend, auch nach dem Film, kaum zu irgendeiner Reflexion imstande, sondern einfach nur geflasht. :)

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