Das österreichische Feel Good Kino ist wieder um ein Highlight reicher. Nun haben wir ihn also, den ersten Film nach Fritzl zum Thema Kinderknastkeller und Pädophilie. Wobei Schleinzer glücklicherweise alles andere macht als einen Film über diesen speziellen Fall zu drehen oder gar eine ins Extrem gesteigerte Geschichte zu bebildern, im Gegenteil, sein Werk ist ausgesprochen ruhig und unspektakulär, zwischendurch aber (wenig überraschend ob der Thematik) sehr schrecklich.
Michael heißt übrigens der Erwachsene und nicht das Kind, somit ist der Film vor allem das Psychogramm des (alles andere denn als reinen Monsters dargestellten) „Täters“ - auch wenn Wolfgang, der Junge, fantastisch gespielt ist (sogar so, dass man oft Angst bekommt) und als Identifzierungsperson dient.
Schleinzer scheint perfekt in die Reihe der jüngeren österreichischen „Elendsanalytiker“ wie Seidl und Lehrmeister Haneke zu passen, von diesem scheint er auch einen manchmal unterstellten „Sadismus“ übernommen zu haben. Keine sensationalistischen, jedoch äußerst unangenehme Szenen und eine Art Quälen des Zuschauers finden immer wieder statt – am Ende, in den Minuten vor der bereits vorausahnbaren Schlusseinstellung wird dies besonders intensiv deutlich. Diese Methodik des Filmemachers regt auf, macht fertig und ist gleichzeitig furios. Bemerkenswert ist dabei der Humor im Film (oder wie auch immer man es nennen soll): unerwartet bei so einem „schweren Thema“ gibt es gleich ein paar dieser skurrilen, „typisch östereichisch-provinziellen“ Szenen; der Pädo-Biedermann in der Arbeit, in der Kantine, vor allem beim Skiurlaub, da schießt Schleinzer die Lacher in den bereits ordentlich geplagten und verstörten Zuseher hinein und macht damit etwas, das man eventuell als „meisterlich“ , vielleicht gar nur als seltsam bezeichnen könnte.
Ob diese Methoden bzw. der komplette Film nun „etwas bringen“, was den Umgang mit der grausamen Thematik in der Realität betrifft, außer vielleicht ein medial ohnehin präsentes Thema noch einmal einem Diskurs zuzuführen, ist kaum zu sagen. Dennoch ist Michael definitiv das verstörendste und beklemmendste Werk seit langem - obwohl man zu Beginn noch meinen mag, man wüsste eigentlich eh was da so alles kommen wird. Dabei geht Schleinzer extrem zurückhaltend vor, was sexuelle Handlungen an sich angeht – und dennoch sind auch die Andeutungen kaum ertragbar anzusehen bzw. traut er sich ein paar Mal dann doch sehr viel. Eher steht im Film jedoch die Beziehung zwischen Mann und Kind, zwischen Täter und Opfer im Mittelpunkt; man weiß nicht wieviel hier Spekulation und wieviel repräsentativ ist, jedoch ist diese menschliche Extremsituation, wie sie hier im Kino erlebbar gemacht wird, schon etwas Besonderes, etwas enorm Aufwühlendes.
Fuith (der sympathische Rammbock-Wiener) gibt das Halb-Monster von nebenan mit ungeahnter Qualität, er verkörpert den Biedermann mit der schrecklichen Neigung perfekt. Schleinzer versucht vielleicht, das „Monster“ als „Mensch“ zu zeigen und er zeigt die Beziehung zwischen Mann und Kind auch als etwas sehr Ambivalentes. Gegen Ende nimmt die Dynamik einen vielleicht auch eher unerwarteten Lauf an – ein Film, der sich tiefer einprägt als jede Fritzl oder Dutroux Meldung. Wieviel das dem jeweiligen Filmfreund „wert“ ist, bleibt höchst subjektiv, festzuhalten ist in jedem Fall, dass Michael trotz bekannter Stilmittel (wie stiller bis ruhiger Kamera und einer bekannt „strengen Inszenierung“) ein herausragendes Werk ist.
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