8. Oktober 2011

Whores' Glory (Michael Glawogger) 8,47




Michael Glawogger ist der Held des gegenwärtigen vielseitigen und dabei stets hochklassigen Filmschaffens. Mühelos pendelt er zwischen fiktiven und dokumentarischen Werken, beherrscht die hintersinnige bis groteske Komik ebenso wie die poetische Realitätsbeschreibung. Vor allem gelingt es ihm, (auch moralbezogene) Ambivalenzen des Lebens zu behandeln und wo könnte so etwas interessanter sein als in einem Film über Prostitution: ein explizit betitelter Hurenfilm, was schon von Beginn an Anrüchigkeit, Aufregung und auch die Abhandlung möglicher Ausbeutung verspricht.

Der Filmemacher vereint die vielen Aspekte dieses Themas, in dem er drei unterschiedliche Orte des Rotlichtmilieus auf verschiedenen Kontinenten erkundet: da schwelgt die Kamera schon auch mal bei den (teilweise) attraktiven Frauen, die Prostituierten jeden Alters kommen ausreichend zu Wort genauso wie die Freier und die Chefebene: wie aufgelegt ist das oft enorm skurril, doch manchmal erlaubt Glawogger auch schrecklich traurige Momente; am subjektiv schlimmsten sind hier die Eindrücke aus Bangladesch; einerseits ist gerade hier der Anteil an sehr jungen Frauen, für die das Puff als einziger Weg aus der noch schlimmeren Armut und dem Leben auf der Straße scheint, am höchsten, doch ebenso wird deutlich, dass der Gang ins Rotlichtviertel für viele Männer kein Akt der Ausbeutung, sondern etwas Alltägliches, etwas Essenzielles ihres Lebens ist. Glawogger klärte in einem Interview auf, dass das Rotlichtviertel für viele Jugendliche – eben auch für die Mädchen – die einzige Möglichkeit sei, ihre Sexualität auszuleben; auch das filmische Aussparen solcher Hintergründe kennzeichnet übrigens die Arbeit des Regisseurs.

Leider ist ausgerechnet die letzte Episode, die in einer ziemlich heruntergekommenen Region Mexikos angesiedelt ist, auch ein bisschen die magerste und der Film klingt weniger spannend aus als er vorher schon war, inklusive sehr inszeniert anmutendem „Nicht kommen-Akt“. Doch so ist Glawogger, er spielt auch gern, er versieht seine melancholischen Milieustudien auch gern mit einem Augenzwinkern. Und ganz am Ende klingt der Film dann plötzlich noch mit einer extrem bitteren Szene aus: bei all seinem Sinn für Humor scheut dieser Ausnahmeregisseur nie vor dem tiefen Blick in Abgründe zurück.

1 Kommentar:

  1. Ein toller Film? Man kann es auch anders sehen. Lesens- und nachdenkenswert dieser kritische Kommentar dazu von "Gangster Girls"-Heldin Tina Leisch: http://diestandard.at/1326504178749/Whores-Glory-Verklemmte-Mitleidssuppe

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