16. November 2011

La Guerre est déclarée (Valérie Donzelli) 8,13




Intensiv und impulsiv inszeniert ist dieses unkonventionelle, dadurch auch ein wenig an Kollegen des jüngeren französischen Films wie Mia Hansen-Love oder Arnaud Desplechin erinnernde Drama. Dem tragischen Thema eines jungen Elternpaars, bei dessen kleinem Sohn ein Gehirntumor diagnostiziert wird, gesteht die Filmemacherin keinen trüben Realismus zu, sondern lässt ihre Protagonisten (gespielt von ihr selbst und ihrem Ex-Partner!?) mit Verve ihr Schicksal bekämpfen.

Manchmal stößt das exaltierte Benehmen der zwei Liebenden etwas komisch auf, obwohl die Grundidee des Films, das Thema Kinderkrebs mit schwungvoll-positiven Eltern und einer sich jegliche Freiheiten nehmenden, verspielten Regie anzugehen, toll ist. Fein wird auch der Rückhalt des Familien- und Freundesnetzwerks gezeigt, durch den so ein dem Leben dem Krieg erklärender Zustand irgendwie erträglicher werden kann.

Der Krieg ist erklärt: ein Film mit erhöhtem Tränenflußaufkommen, der leider auch ein wenig seltsam endet. So schön ist es, wenn Donzelli und ihr ehemaliger Lebensgefährte (beide schrieben auch das Drehbuch, ob sie gemeinsam auch einen Sohn hatten, ist vielleicht zu vermuten, aber nicht gewiß) 95% des Films als perfektes, füreinander bestimmtes Paar agieren und dann ganz am Schluß doch erzählt wird, dass sie auseinanderbrachen. Auch wenn in der Realität des Lebens alles passieren kann, so scheint es gerade in diesen hochromantischen, kämpferischen, manchmal sogar surrealistischen Film einfach nicht zu passen, selbst wenn autobiographisch anscheinend genau das Gleiche passiert ist(!). Die schwelgerische letzte Einstellung lässt jedoch zumindest fürs Filmpaar hoffen, dass sie wieder zueinanderfinden und alles gut wird…

3 Kommentare:

  1. Der war für mich vermutlich mit die positivste Überraschung aller in Wien gesehenen Filme, hatte da eigentlich eher schlimmes befürchtet (Filme über solche Themen tragen dann halt leider oft ihr Thema zentnerschwer vor sich her) und war dann doch sehr angetan, mit welch audio-visueller Versiertheit und auch Experimentierfreude der Film daher kam (dazu ggf. bei meinem ET-Rückblick noch ein paar Zeilen). Fand übrigens auch das Ende durchaus eher "positiv" (im Sinne von nachvollziehbar, also positiv für den Film, nicht für die Figuren), weil es dem Film die nötige Erdung gibt - so unerfreulich das ist, fand ich es durchaus nicht unglaubhaft, dass bei aller kämpferischen Haltung und für-einander-Bestimmtheit diese Phase mittelfristig dann eben doch tiefere Spuren hinterlässt, als es zunächst (auch aufgrund von Verdrängung, Konzentration auf das gemeinsame Ziel etc.) den Anschein hat. Und durch diesen tragischen Unterton, diese Ahnung, gewinnt natürlich das positive Schlussbild in seiner Ambivalenz, seiner brüchtigen Gegenwärtigkeit umso mehr an Wirkung.

    Ansonsten schön zu sehen, dass es bei dir mittlerweile mit den Viennale-Filmen voran geht, ich komme hoffentlich nächste oder übernächste Woche dann auch endlich in die Gänge, aber leider wohl kürzer, als ursprünglich geplant. Werd mich wohl auf eine Handvoll ausgewählter Filme konzentrieren und den Rest listenmäßig erfassen, anders geht's schon wegen Umfang und zeitlichem Abstand nicht. Mal sehen.

    AntwortenLöschen
  2. Es stolpert sehr holprig voran. :) Ich hab ja schon etwas gebraucht, um mal Zeit zu finden, deinen Kommentar zu kommentieren, und der Berg von unbesprochenen Filmen ist schon bald so hoch wie der 8000er der Filme, die ich noch sehen will. ;)

    Das was du schreibst, erscheint mir so auch sehr schlüssig, aber direkt danach wollte ich es einfach nicht wahrhaben ;) und wollte es mir nicht zu dieser betont romantischen Grundausrichtung passen. Aber es spricht ja auch nicht wirklich gegen das Drehbuch, dies passieren zu lassen. Die Konstellation bei diesem Film ist sowieso spannend; die beiden Darsteller waren wohl auch ein Paar in der Realität und sind es jetzt (anscheinend) nicht mehr, arbeiten aber zusammen und spielen überzeugend die Super-Verliebten. ;) Klatsch und Tratsch interessiert mich ja gar nicht, aber in diesem Fall hat mich das schwer beschäftigt. :)

    Schlusseinstellung in ihrer Ambivalenz ist ganz toll, seh ich auch so.


    Eines möchte ich noch zum Stil des Films bzw. zum Stil von "schweren" Filmen sagen: Ich war eher bei dem hier gewählten Zugang skeptisch und manchmal nicht überzeugt, und mir ist ein "schwerer Film" zu einem schweren Thema grundsätzlich sogar lieber. Ich finde auch, dass ein Film ruhig mal trocken und spröde sein darf (und mich dennoch oder gerade damit fesseln kann). Aber hier ist dieser ungewöhnliche, ausgesprochen "verrückte" Umgang mit dem Thema doch sehr charmant und gelungen ausgefallen.

    AntwortenLöschen
  3. "Es stolpert sehr holprig voran": immerhin weit mehr, als ich von mir sagen könnte, um das hier nochmal aufzugreifen - von der benötigten Zeit, Kommentare zu kommentiere (sei's hier oder kürzlich in meinem STB) lieber ganz zu schweigen... ^^

    Die Paar-Konstellation ist tatsächlich ganz spannend, wusste das vor deiner Anmerkung gar nicht, weil ich sehr spontan und ohne jedes Vorwissen in den Film gegangen bin und danach im Festivalrausch auch nicht mehr recht Gelegenheit hatte, mich da noch etwas zu informieren. Aber das alles mit so einer Vorgeschichte zu spielen, das klingt schon nach einer gewaltigen emotionalen Herausforderung.

    Zum Ende nochmal: rein als theoretische Überlegung fand ich schon häufiger die Frage ganz spannend, ob es nicht irgendwann einen Punkt gibt, an dem man von der Handlungs- auf die Betrachtungsebene wechselt und dann das hofft, was für den Film gut ist und nicht für die Figuren. In der Praxis ist mir das (wohl zum Glück) noch nicht in dieser Ausprägung passiert, jedenfalls nicht bei Figuren, die mir etwas bedeutet haben, oder Filmen, denen ich vertraut habe. Würde sich wohl auch etwas herzlos anfühlen. Vielleicht ist es auch ein ganz gutes Kriterium für das "Funktionieren" eines (solchen) Films, wenn er einen so gefangen nimmt, dass man sich während der Sichtung nicht wirklich ernsthaft solche Gedanken macht. War insofern bei Donzellis Film jetzt von mir auch nur eine retrospektive Überlegung aus der Feststellung heraus, dass ich es dem Film intuitiv abgenommen habe. Im Endeffekt sprechen halt doch erst Bauch und Herz, und das Gehirn hat dann den Scheißjob, das Durcheinander zu ordnen... ;)

    Zum letzten Absatz: stehe ja auch eher nicht im Verdacht, mich Filmen zu verschließen, wenn sie "trocken und spröde" sind, auch wenn das natürlich immer eine Frage des Einzelfalls und der Verhältnismäßigkeit ist. Meine Formulierung war da aber sowieso missverständlich, meinte mit "ihr Thema zentnerschwer vor sich hertragen" nicht so sehr das "Schwere" der Filme, sondern dass sie sich so an der Wichtigkeit eines Themas besaufen, dass darüber die filmische Umsetzung (egal ob "leicht" oder "schwer") in den Hintergrund gerät. Weil mich bei Filmen zuerst das Filmische und die Form interessiert und nicht "nachgeschaltetes" wie Thema oder Inhalt, verliere ich in solchen Fällen schnell das Interesse.

    AntwortenLöschen