8. Dezember 2012

Stillleben (Sebastian Meise & Thomas Reider) 7,88



Voyage, Voyage. Eine Hütte am Feld. Drinnen ist ein Pädophiler, das weiß man. Man weiß aber nicht gleich, was er da drin macht. Gefilmt ist dieser Beginn von einer auffallend statischen Kamera, die ja mittlerweile ein Markenzeichen des österreichischen Films, von Seidl bis zu Geyrhalter und zuletzt auch Schleinzer mit dem letztlich überragenden Pädophilenfilm Michael, ist. Dass Meise sein Werk formal genau so beginnt, ist erstmal ein wenig fad und wirkt auch wenig eigenständig.

Doch nicht nur weil Kamera und Bilder mit der Zeit freier werden, kann der Film immer mehr überzeugen. Die Vorstudien aus Outing haben Reider und Meise zu einem philosophisch gefärbten Drama über Moral und Schuld überspitzt. Der Familienvater onaniert regelmäßig zu Kinderfotos seiner bereits adoleszenten Tochter. Der Sohn deckt das auf, der Vater entfernt sich von der Familie – und durch diese Schmach auch endgültig vom Leben; so erwartet es zumindest der Zuschauer, doch Meise/Reider spielen geschickt mit diesem erwartet fatalen Ausgang, um den Film deutlich komplexer und zu einer recht interessanten Familienstudie werden zu lassen.

Der Vater hat die Tochter nie angerührt, erfahren wir später. Ist er überhaupt an irgendwas schuldig? Kann ihn die Familie, die Tochter trotzdem noch in irgendeiner Form gern haben? Was wird er tun, jetzt, wo seine engsten Mitmenschen sein dunkles Geheimnis kennen?

Stillleben ist einerseits als Fiktion weniger beklemmend als die „Realität“ von Outing. Und dennoch ein fast genauso spannender Film zu einem extremen Thema und den Fragen, wie und ob man denn als Betroffener und wie und ob als wissender Mitmensch mit der Pädophilie umgehen kann.

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