Schlingensief war einer der größten Künstler, die je gelebt haben.“ und „Es kann keinen wie ihn mehr geben.“, sagt Elfriede Jelinek und dieser Frau kann eh keiner widersprechen. Eines der letzten Projekte des Tausendsassas und intelligent-provokativen Selbstinszenators mit seiner perfiden Kreuzung aus Lausbubencharme und den bitterbösen Attacken auf Gesellschaftsnormen und Konservatismus in seinen schlimmsten Formen; eine nie ausgestrahlte, gigantisch chaotische, improvisierte, herrlich sympathisch verschiedenste Menschen aufeinanderprallen lassende, damit groteske Aussagen und Situationen forcierende und dies alles als völlig „normal“ inszenierende TV-Talkshow mit dem Titel Die Piloten und einer Vielzahl an illustren Gästen von Hermann Nitsch über Sido bis zu Jürgen Fliege sowie einigen der von Schlingensief so großartig forcierten psychisch beeinträchtigten Schauspielern, hat Frau Kablitz-Post zu einem spannenden Mix aus Ausschnitten der „Sendung“ und Backstage-Doku verarbeitet.
Die vielen Facetten des Menschen und Künstlers Schlingensief, seine verrückten Seiten, aber auch seine ungekünstelt naiv-herzliche Art, können somit ganz gut erlebt werden, auch wenn natürlich die persönlichen Auftritte samt Anrufen beim sterbenden Vater wiederum selbst eine Inszenierung einer gnadenlos öffentlichen Person sind, die Schlingensief folgerichtig vor den Kameras dann reflektiert und hinterfragt.
Eine ganz besondere Künstlerpersönlichkeit ist vor kurzem von uns gegangen und ein Filmreport wie dieser, der Schlingensief noch vor seiner tödlichen Erkrankung als Mensch zeigt, der seine eigenen körperlichen Schwächen öffentlich diskutiert (und auch ihre existenzielle Bedeutung verhandelt und radikal verlächerlicht), fungiert einerseits als unmittelbares Zeugnis des Werkens und Schaffens, andererseits wirkt das Ansehens dieser Szenen nach seinem Tod ordentlich beklemmend.
Die Piloten mag nur eines von vielen Schlingensief-Projekten gewesen sein, und wahrscheinlich gar nicht zu seinen besten zählen, dennoch ist der Film dazu ein gelungener, ein faszinierender, ein selbstverständlich herrlich chaotischer Einblick, einer der letzten, in das Arbeiten und das Wesen dieses einzigartigen Irritators.
Dachte eben schon, ich hätt's verpasst! Aber kommt ja heute erst auf Arte. Bin gespannt.
AntwortenLöschenJop, somit geht das hier sogar mal als TV-Tip durch. :) (Im ORF war das schon vor einer Woche)
AntwortenLöschenErwarte aber nichts Weltbewegendes..Schlingi interessierte hier ja auch eher, wie man konfuses Rohmaterial im Nachhinein zusammenschneiden und dann Dinge manipulieren kann. Inwieweit der vorliegende Film nun das transportiert, was er selbst mit dem Material machen wollte, weiß ich gar nicht..
Das Interessanteste waren für mich tatsächlich die intimen Szenen. Was mir so in den Sinn kam: Schlingensief und Krankheit - man scheint ein Stück mehr zu verstehen, warum Schlingensief auch die eigene Krankheit später thematisierte. Seine Angst vor der Krankheit (ob jetzt das zu erblinden drohende Auge, der langsam sterbende Vater) scheint schier hypochondrische Ausmaße angenommen zu haben. Und die Angst ist so groß und omnipräsent, dass er sie offenbar nur durch die Kunst zu therapieren versteht. Doch eher ist wohl das Gegenteil eingetreten: die zehrende Beschäftigung mit dem Thema scheint ironischerweise die psychosomatische Entstehung einer eigenen Krankheit befeuert zu haben. Und auch diese mit Kunst zu therapieren, ist, wie wir wissen, leider gescheitert.
AntwortenLöschenEr sagte ja in einem anderen Interview, das vor kurzem ausgestrahlt wurde, er brauche Angst, bzw, sei es die Angst, die ihn immer wieder antreibt.
AntwortenLöschenDass es durch diese ständige Beschäftigung und das Hineinsteigern in diese Dinge Zusammenhänge zur Krebsentstehung geben kann, ist eine verlockende Hypothese, ob das tatsächlich stimmen kann, ist schwer zu sagen...aber es ist sehr auffällig, ja.
Und eben ist es schlimm zu sehen, dass, wie du sagst, das Bekämpfen durch Kunst, durch das Arbeiten nicht länger funktioniert hat. Wahnsinn, wie vital und jugendlich er doch immer wirkte, auch hier noch, aber das hilft dann alles nix..
Ja, schlimm, wie man den plötzlich beschleunigten Alterungs- oder soll man eher sagen Zerfallsprozess?, mitansehen konnte. Dass zwischen den letzten Aufnahmen von ihm und die Piloten gerade mal 3 Jahre liegen, ist kaum zu glauben.
AntwortenLöschenIch glaube schon daran, dass es zwischen Kopf und Körper solche Verbindungen geben könnte. Nicht zuletzt deshalb verehre ich ja auch Cronenberg ;) Diese Korrelationen überlasse ich aber gerne der Wissenschaft zum Beweis. Ich würde gerne mal Zahlen haben, in wie vielen Fällen Hypochondrie mit später tatsächlich ernsthaften Erkrankungen einherging. Ein interessanter Film zu dem Thema - ist ja schließlich noch ein Film-Blog ;) - kommt übrigens von Todd Haynes: "Safe" mit Julianne Moore. In "Synechdoche, New York" hatte P.S. Hoffmans Figur ja auch solche Tendenzen mit dem Ergebnis: je mehr man sich damit beschäftigt, desto mehr rennt unbemerkt die Zeit an einem vorbei.
Damit soll's dann aber auch gut sein.
Was die Wissenschaft nicht (ausreichend) erklären kann, muß eben die Kunst tun - das ist doch ein nettes Fazit! :)
AntwortenLöschen..aber die Psychosomatik ist schon ein enorm spannendes Gebiet und da ist auch auf jeden Fall was dran! Man weiß halt nur nie, wie sehr welche - psychische, noxische und natürlich genetische - Faktoren dann tatsächlich wie stark einwirken, die Mischung machts! :(
Danke für die Filmtips, "SNY" muß ich noch sehen und "Safe" hatte ich gar nicht auf dem Radar.