Filme, die beim Festival in Locarno ausgezeichnet werden und von Frauen(-schicksalen) erzählen – eine feine Kombination und mittlerweile bereits ein kleiner Trend. Nachdem diese Kriterien in den letzten Jahren schon die herausragenden Werke Das Fräulein und She, a Chinese erfüllt haben, reiht sich da nun auch mit Nothing Personal so eines dieser ganz besonders schönen und originalen Frauenporträts, die auch zum Besten zählen, was überhaupt im Kino läuft (oder nicht läuft), ein.
Antoniaks Film erfüllt die Leinwand zunächst mit gelungenen Aufnahmen dieser seltsamen, trotzigen und offenbar sehr verletzten Frau ohne Namen, die ganz allein durch die weite Ödnis Irlands trampt. Unterlegt von hypnotischen Klängen auf der Tonspur entwickelt sich ein Regiestil, der auch das Kino des 21. Jahrhunderts repräsentiert: Sofortige Versetzung des Zuschauers in medias res, nüchterne Bilder, Kamera ganz dicht dran an der Person, intensive Stimmung, wenige Worte…
Als die namenlose Heldin auf ein nur scheinbar verlassenes Haus stößt, entspinnt sich in weiterer Folge ein eigenwilliges Zwei Personen Stück, in dem es ständig knistert, Sex jedoch nicht unbedingt im Vordergrund steht - in gewisser Weise erinnert Nothing Personal mit dem zarten Bande knüpfen zwischen älterem Mann und junger Frau dadurch gar an Lost in Translation, wenn auch die Grundstimmung hier gewiss eine ganz andere, nämlich eine viel rauhere, ist.
Die namenlose Frau, die einfach nur „you“ genannt werden und keine Fragen zu ihrer Person hören will, ist ein ungemein faszinierender Charakter. Wenn sie sich, zunächst verschlossen, im Verlauf des Films (in durchaus überraschenden und überrumpelnden Szenen) immer wieder öffnet: tanzt, singt und lacht, dann kann man ahnen, was in diesem Mädchen eigentlich steckt und nur vermuten, was sie so traurig und einsam gemacht hat. Generell überrascht Antoniak immer wieder durch kleine Szenen, die so scheinbar gar nicht zu den Charakteren zu passen scheinen; durch lässigen Humor, der die zärtlich-melancholische bis teilweise unerträglich angespannte Stimmung geschickt durchsetzt.
Das faszinierende Wesen dieser Lotte Verbeek wird von der Filmemacherin eindrucksvoll in Szene gesetzt, Stephen Rea als überraschter, verwunderter, faszinierter und gleichzeitig so gelassener Gegenpart, ist ebenfalls ein Vergnügen.
Ob das Leben so eine Geschichte überhaupt schreiben könnte, wäre vermessen zu behaupten, aber es ist ja auch völlig egal, denn das Kino kann es sehr wohl! Nicht zuletzt ist Nothing Personal ein poetischer Film über den Unterschied zwischen einsam und alleine sein. Die Magie dieses subtilen Wunderwerks, das gerade in den letzten Minuten von einem guten zu einem hervorragenden zu mutieren vermag, scheint nach dem Abspann den ganzen Kinosaal ergriffen zu haben – ein traumhaft schöner und ungemein schön trauriger Film über eine Frau, die vom Leben verstört wurde und danach möglicherweise nicht etwas suchte (aber etwas findet!), das ihr den Glauben an das Schöne daran wieder geben kann; über eine Frau, deren Namen, deren ganze Geschichte und deren Zukunft wir nie erfahren (werden). Und auch diese Ungewissheit (selten war es so schwer zu verkraften, nach dem Ende nicht mehr über die Hauptperson zu erfahren), dieses Offenlassen macht unter anderem den enormen Reiz und diese Strahlkraft des wunderbaren Films aus.
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