27. März 2011

Kynodontas (Giorgos Lanthimos) 7,80




Man merkt diesem Film von Beginn weg an, dass der Regisseur einen sehr genauen Plan hat und meisterlich sein Experiment entwickelt (bereits gezogene Vergleiche mit Haneke sind zumindest dahingehend nachvollziehbar). Es dauert, was absolut positiv ist, eine ganze Weile, bis man die Lage überblicken kann und das krasse Spiel der Eltern mit ihren großen Kindern erkennt.

Danach wähnt man sich zwar für einige Zeit in einem etwas vorhersehbaren Reißbrett-Werk, das aber im Detail stets faszinierend bleibt. Was diese Drama-Groteske schließlich so toll macht, ist wie der zu erwartende Ausbruch eines Kindes im Detail vor sich geht: Zum einen (natürlich) Sex bzw. die sexuelle Neugier, zum anderen dieses Element (=Prostituierte), das, kurioserweise von den Eltern eingesetzt, von außen in die abgeschottete Welt eindringt, als notwendiger Risikofaktor im gestörten Erziehungs-Spiel: durch Videokassetten der Filme Rocky und Jaws (was nur ganz subtil angedeutet ist) wird das Nesthäkchen aus der angelernten Zufriedenheits-Lethargie zum Leben erweckt, entdeckt sie den Reiz des Lebens, ihre Rebellion.

Nun kann man längst gehörig mitfiebern, obwohl man eh weiß: der Ausbruch wird gelingen (oder doch im schlimmeren Fall brutal niedergeschlagen werden?), die Katharsis so oder so erfolgen. Doch Lanthimos ist gemein: der Film endet weder so noch so, er lässt einen erschrocken und staunend zurück. Dogtooth, "Hundezahn", ist ein ungeheures, perfekt inszeniertes, eiskaltes, zynisch-satirisches Stück Film; ein Kommentar zu pathologischer Kontroll-Erziehung und entartetetem Heile Welt Spielen/Ernst. Ein Film, den man vielleicht, ähnlich wie dies auch bei Hanekes Werken von manchen eingeworfen wird, kühl und unangenehm kalkuliert nennen kann, doch wie sein Kollege hat auch Lanthimos, auch wenn er Hanekes Meisterschaft und dessen tiefe Verstörung nicht erreichen kann, Gespür und Vision für ganz spezielles, packendes Kino.

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