Was sehr mühsam und sperrig beginnt, entwickelt sich zu einem unglaublichen, kraftvollen, enorm schmerzhaften, bewundernswerten, radikalen, experimentellen, mutigen Stück Kino. Ein Film des Jahres, der bereits 5 Jahre alt ist und nun immerhin von arte noch einem deutschsprachigen Publikum (das man vermutlich an zwei Händen abzählen hat können) vorgeführt wurde.
Die zweite Regiearbeit der jungen Maiwenn ist eine Geschichte von Kindesmisshandlung, umgesetzt in einen Film in einem Film. Die Filmemacherin spielt Violette, eine junge Frau, die ihr Kindheitstrauma bekämpfen will, indem sie einen schonungslosen Film über ihre Familie dreht, vor allem über ihren Vater, der sie einst geschlagen hat…
Die forsche junge Dame bewaffnet sich also mit einer Kamera, um durch diesen, eigenen Film vielleicht endlich Erlösung – oder einfach eine Entschuldigung zu finden. In einer witzigen Szene geht sie in ein Fachgeschäft und sagt, sie wolle einen Film fürs Kino machen, worauf der Verkäufer Top-Geräte empfiehlt, vor allem für ruhige Bilder. Die braucht und will Violette aber für ihren Film nicht – genauso wenig wie Maiwenn für ihren. Was sich hier vielleicht etwas gekünstelt anhört, ist meisterlich umgesetzt, was diesen Film aber neben allen Metaebenen-Experimenten (inklusive Kindheits-„Videointerview“-Aufnahmen von Maiwenn!) und dem enormen psychologischen Tiefgang so ins Innere bohren lässt, sind die unglaublich intensiv gespielten Szenen, in denen Violette bzw. Maiwenn die Familie mit ihren Schmerzen konfrontiert; das lässt selbst einen so beklemmenden Film wie Michael im losen Vergleich harmlos wirken.
Verzeiht mir ist der schmerzvolle Schrei einer verwundeten Seele und die Bebilderung eines bitteren Kampfes um Seelenfrieden; darüber hinaus ist es der Beweis, dass radikales Kino mitunter immer mehr unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindet; sicher muß man auch konstatieren, dass solch intensive Szenen derart experimentell serviert schon generell nicht viele ansprechen. Auch im Film (im Film) wird übrigens einmal eine Diskussion um die breite Masse geführt: doch außerhalb Frankreichs wird dieses herausragend schonungslose Werk leider kaum jemand gesehen haben.
POLISSE hat mir auch sehr gut gefallen. Solltest du dir vielleicht mal vormerken.
AntwortenLöschenDanke...vorgemerkt war er ja einmal nach den zwiespältigen Reaktionen in Cannes..:)...nach "Pardonnez moi" freue ich mich natürlich extrem drauf..und am Freitag kommt er hier auch ins Kino! :)
LöschenGesehen.
AntwortenLöschenIch gebe dir recht: Maïwenn ist ein beeindruckend authentisch wirkender Film gelungen, der geschickt mit den verschiedenen Doku-Ebenen spielt. Kaum hat man sich damit abgefunden, dass es sich nicht um eine Dokumentation handelt, geht sie ins Geschäft, um eine Kamera für eine Doku zu kaufen.
Vielleicht liegt es auch an der Sprachbarriere, aber richtig gepackt hat mich das Familiendrama nicht. Dafür waren mir viele Reaktionen der Figuren nicht nachvollziehbar genug. Und auch Maïwenn als verstörte Protagonistin bot sich ja nur bedingt als Identifikationsfigur an.
Als es zu dem heftigen "Puppenspiel" kam, habe ich mich gefragt, warum sich Paule so etwas freiwillig in der Freizeit antut :) Schließlich hast du doch vermutlich mit vergleichbar verstörten Personen alltäglich zu tun. Ich hoffe, ich irre ;)
Was waren das eigentlich für Videoaufnahmen der jungen Maïwenn? War sie das selbst?
Also: Ein durchaus intensiver, sehenswerter Experimentalfilm, der emotional für mich leider nicht vollständig aufgegangen ist.
6-7/10
Du irrst dich - zum Glück. :) Wäre das mein beruflicher Alltag, wäre ich wohl selbst bald einlieferungsfällig. ;)
LöschenAber durch meinen Beruf (und mein Wesen) halte ich sowas vielleicht auch leichter aus...und solche heftigen Sachen hin und wieder auch am Feierabend anzusehen, stört mich auch nicht, sondern interessiert mich durchaus. ;)
Ich finde es cool, dass du dir den Film ganz gegeben hast; wie ich schon im Text auch angemerkt habe, ist das sicher keine Kost für jedermann. Und vor allem die Anfangsminuten sind schon etwas mühsam. ;)
Das mit der "Nachvollziehbarkeit" von Menschen und deren Handlungen relativiert sich auch, wenn man als Psychologe arbeitet. ;)
Ich bin mir übrigens sehr sicher, dass das die junge, echte Maiwenn war..ein weiterer kleiner Baustein weshalb ich diesen Film so heftig fand. Die Vielschichtigkeit der Ebenen hat dir ja auch gefallen - ansonsten wäre es für mich halt "bloss" ein "guter" Film gewesen.. :)