Nur kurze Zeit nach der feinen Wüsten-Aussteigerstudie Below Sea Level hat Gianfranco Rosi schon wieder eine höchst sehenswerte Doku gedreht. Es ging auch deshalb so schnell, da dieses außergewöhnliche Projekt nur wenige Stunden Dreharbeit in Anspruch nahm. Basierend auf der Vorrecherche und einem ausgezeichneten Zeitungsartikel des Journalisten Charles Bowden trifft und interviewt Rosi einen ehemaligen Folterer und Killer eines riesigen mexikanischen Kartells. Dieser erzählt - die ganze Zeit mit einem schwarzen Tuch über dem Kopf unkenntlich gemacht (und dennoch alleine durch Stimme und Hände enorm präsent) - wie ein Wasserfall von seinem abenteuerlich anmutenden, aber scheinbar für seinesgleichen recht typischen Werdegang und seinen wilden, verstörenden Grenzerfahrungs-Taten. Zwei Besonderheiten gestalten dieses filmische Protokoll darüber hinaus beeindruckend: der sicario (Auftragsmörder) erzählt das alles in einem Hotelzimmer (Nummer 164), in dem er früher Gefangene gefoltert und ermordet hatte, und er zeichnet wie ein Besessener alle seine Erzählungen selbst mit: im Laufe der Dreharbeiten füllt er auf diese Weise ein ganzes Buch mit Skizzen seiner Handlungen sowie persönlichen Ansichten und Einstellungen.
Der sehr charismatische, namenlose Aussteiger, auf den derzeit Kopfgeld ausgesetzt ist, fesselt den Zuseher bei gleichzeitiger Abscheu und Neugier dadurch fast 90 Minuten in den Sessel; die bei so einem Projekt mögliche Gefahr der Eintönigkeit kommt gar nicht erst auf, so drastisch ist das Thema und so unglaublich ist es doch, diesen Mann unverblümt die Innenansichten eines erbarmungslosen Kartells und vor allem seine eigenen Beweggründe, seine Gefühle intim schildern zu sehen und zu hören, bis es am Ende zu einem kuriosen Ausbruch kommt. Ein tief beunruhigender und zugleich faszinierender Mensch – das gleiche gilt somit natürlich auch für diesen besonderen Film.
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