9. März 2010

Shutter Island (Martin Scorsese) 7,68




Lehanes Buch ist ein cleverer, spannender Cop-/Pulp-/Psycho-/Trauma-Thriller mit einigem an psychologischem Tiefgang (soweit es für ein Stück Unterhaltung eben sinnvoll oder nötig ist), markigen Typen, coolen Dialogen und einer schlichtweg geilen Geschichte um eine Insel mit psychisch kranken Strafgefangenen, von der es für die beiden Marshalls nicht nur aufgrund eines orkanartigen Sturms kein Entrinnen mehr zu geben scheint…

Scorseses Verfilmung hat definitiv zwei kleinere Probleme gegenüber seiner Vorlage: erstens, dass die Figuren im Detail etwas flach bleiben und (für mich eigentlich sehr überraschend!) einiges an den lässigen Sprüchen fehlt und zweitens, dass die psychologischen Feinheiten, welche im Geschriebenen einfach besser verhandelt werden können, auch nicht besonders zum Tragen kommen, auch wenn durch Bilder vieles, eben auf einer anderen Ebene, erhalten bleibt. Somit ist wie oft bei Literaturverfilmungen (selbst wenn es sich hier nur um bessere Trivialliteratur handelt) erstmal festzuhalten, dass der Thriller im Buchformat doch mehr und vor allem noch etwas anders gelagerte Qualitäten hat als der Film.

ABER: Scorseses Werk ist dafür herrlich anzusehen. (Eigentlich müsste ich nun alles groß schreiben, das käme dem extremen Regiestil – ähnlich expressionistisch wie schon bei Cape Fear – wohl am Nächsten.)

Marty macht keine Gefangenen, die Bilder sind überlebensgroß, artifiziell, cinephil Vorbildern nacheifernd, der Score wummert aufdringlich, hier ist alles LARGER THAN LIFE. Copthriller, Psychothriller, Noir, Grusel, Holocaust, Melodram, ironische Schauspielgrößen: Shutter Island wirkt wie der klassizistischste, stilvollste, sympathischste postmoderne Film, den es je gab.

Und obwohl kleinere Feinheiten des Buches auf der Strecke bleiben, hat er eine trickreiche Story zu bieten, die einen auch nach der Abblende fesseln und nachdenken lassen kann.

Das alles macht den großen Charme dieses leicht kuriosen Projektes aus, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass man ohne Kenntnis der Vorlage (zu) wenig(er) Bezug zu dem Film aufbauen könnte. Scorseses exaltierte Interpretation der Vorlage mag kritikwürdig sein, vielleicht etwas daran vorbeizielen, aber all das kann den Spaß, den dieses Monstrum der Liebe zum Kino in den zwei Stunden, in denen es von der Kinoleinwand flimmert, macht, nicht auslöschen.

(wobei noch erwähnt werden sollte, dass eine ausgedehnte Szene am Ende den Film doch in eine versucht ernsthaftere Richtung lenkt, die nicht so recht zum Rest passen mag..)

4 Kommentare:

  1. Nachdem auf Alfons Blog gandenlos das Ende gespoilert wurde (ohne ordentliche Vorwarnung!), weiß ich nicht so recht, ob ich ihn mir noch im Kino ansehen sollte. Nach deinen Ausführungen lohnt es sich ja aus rein visuellen Beweggründen der großen Leinwand einen Besuch abzustatten.

    War denn das Ende schwer vorhersehbar? Du kanntest es offenbar schon durch die vorherige Lektüre des Romans...

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  2. Fuck Alfons!

    Aber mit diesen Enden ist das ja immer so eine Sache, ob der Film nun so oder so ausgeht, kann die restlichen 99% des Films auch nicht ändern in meinen Augen.

    Wobei das Buch eben noch besser mit dem Ganzen spielt und das präziser auf- bzw. ausbaut; wie ich ja schrieb, könnte der Film alleinstehend dahingehend etwas zu oberflächlich wirken..ich kann das ja in Kenntnis der Vorlage gar nicht mehr so richtig trennen.

    Ich kannte das Ende also schon, aber dennoch hat mir der Film noch ausreichend Spaß gemacht. Und da du ja "Sutter Cain" Fan bist und dir vermutlich Cape Fear gefällt, lohnt sich sicher ein Blick, auch wenn hier ein extremer Bösewicht fehlt und SI nicht besonders krass ist. ;) Ich finde aber den Stil der beiden Filme sehr ähnlich..

    Shutter Island ist, auch auf der visuellen Ebene, sicher kein Must See und kein Meisterwerk, aber man bekommt schon was Ordentliches geboten (bei Scorsese ist es wohl immer sehenswert, egal, was er macht), den Rest musst du für dich selbst entscheiden. ;)

    Ob das Ende vorhersehbar ist, keine Ahnung, ich denk da während des Films selten drüber nach, was denn so alles sein könnte, sondern lasse mich da ganz gut manipulieren :)

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  3. Fuck Alfons!

    Lieber nicht. ;-)

    Mal schauen, wann der im Berliner OV Cinestar nächste Woche so läuft...reizen tut er mich schon. Das Buch werde ich mir aber trotz deines Lobes sparen...

    Jetzt stehen erst einmal die FFF Nights an. Sind ja extrem viele Zombiefilme dieses Jahr. Aber um den neuen Romero werde ich wohl nicht herumkommen...

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  4. "Lieber nicht" - Na gut, wenn du nicht willst, mich freuts auch nicht, hat er nochmal Glück gehabt. :)

    Das Buch fand ich schon gut, aber so weltbewegend, dass du es auf keinen Fall verpassen darfst, ist es nicht..

    Zombiefilme, hm? Na, vielleicht entdeckst du ja was Brauchbares, Survival of the dead könnte schon der einzige sein :)

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